Fahrdienst-Gesetz: Taxi-Branche sieht sich trotz Zugeständnissen bedroht

Bei der geplanten Reform des Personenbeförderungsrechts ist Verkehrsminister Scheuer Taxi-Fahrern entgegengekommen. Gut für die Mobilitätswende ist das nicht.

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(Bild: Taxi Deutschland)

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Anfang November hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) einen überarbeiteten Referentenentwurf zur "Modernisierung des Personenbeförderungsrechts" an Verbände und andere Interessensvertreter geschickt. Es will damit prinzipiell eine "bedarfsgerechte Vermittlung von Fahrdienstleistungen" ermöglichen, "die durch intelligente Bündelung mehreren Personen mit unterschiedlichen Zielen unabhängig von Linienvorgaben angeboten werden können".

Gegenüber dem ersten Entwurf vom September kommt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit dem neuen, heise online vorliegenden Entwurf der Taxi-Zunft entgegen. Grundsätzlich will er den Bereich "geteilter Nutzungen" (Ride Pooling) weiter aufteilen in eine neue Form des Linienverkehrs innerhalb des ÖPNV, wie sie etwa die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit dem Berlkönig erproben, und in den "gebündelten Bedarfsverkehr" außerhalb der Öffentlichen mit Anbietern wie CleverShuttle oder Moia.

Sammelfahrten sollten mit dem früheren Entwurf nur diesen neuen Verkehrsformen gestattet werden. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Auch Taxis wird vielmehr eine Vermietung von Einzelsitzplätzen entlang eines Tarifkorridors mit Mindest- und Höchstpreisen erlaubt. Die Klausel, dass eine Genehmigungsbehörde dies untersagen dürfte, hat das BMVI gestrichen. Taxis können laut dem neuen Anlauf also Ride Pooling per App machen und profitieren dabei von Umsatzsteuerprivilegien gegenüber Mietwagen. Bestehende Taxigenehmigungen könnten grundsätzlich sogar ausreichen, um ÖPNV-Leistungen zu erbringen.

Fahrdienst-Vermittler wie Uber und Free Now sollen zudem prinzipiell weiterhin nach jeder Fahrt zum Betriebssitz zurückkehren müssen. Sie dürfen – anders als Taxis – nicht an der Straße auf neue Kunden warten. Kritik aus dem Taxigewerbe, dass die Rückkehrpflicht durch zusätzliche "Abstellorte" in einzelnen Gemeinden mit deren Plazet verwässert werden könnte, hat das BMVI teilweise aufgegriffen: es schreibt nun im korrigierten Paragraf 49 Personenbeförderungsgesetz eine Mindestwegstrecke von 15 Kilometern zwischen Hauptsitz und alternativen Standorten für Mietwagen vor.

Der Fachdienst "Taxi Times" sieht die Kuh damit vorerst vom Eis und spricht von einer "Kehrtwende", sodass den traditionellen Fahrdienstleistern doch noch mehr bleibe als nur "das Geschäft mit den Winkern auf der Straße". Bei der Rückkehrpflicht hätten Genehmigungsbehörden ausreichend Spielraum, gegebenenfalls "aggressiv agierende Pooler oder Mietwagenunternehmen in ihre Schranken zu verweisen". Trotz verbliebener Wermutstropfen schienen sich "viele Brennpunkte dieser Gesetzesreform derzeit zugunsten der Taxibranche aufgelöst zu haben".

Der Bundesverband Taxi und Mietwagen ist aber noch nicht zufrieden. Er hält das Taxi und damit die Mobilitätsversorgung der Menschen nach wie vor für "unmittelbar bedroht, während Plattformen frei von Verantwortung für Sozialstandards und Verbrauchschutz den deutschen Markt erobern können". Nötig sei daher etwa ein eigener "Genehmigungstatbestand für Vermittlungsdienste". Taxi-Pooling müsse "rechtssicher" zugelassen, eine "tarifliche Festpreis-Option" aufrechterhalten werden.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) befürchtet einen deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand durch die zersplitterte Regelungssystematik, mit denen die Kommunen bei der Handhabe globaler Verkehrsanbieter allein gelassen würden. Taxis und Mietwagen sollten ihm zufolge gar nicht mehr unterschiedlich behandelt werden.

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) wirft der Bundesregierung dagegen "mangelnden Reformwillen" vor. Das Vorhaben bleibe "weit hinter den Anforderungen an eine zukunftsweisende Mobilitätswende zurück". Statt die im Koalitionsvertrag vereinbarte "regulatorische Entlastung" von Taxi und Mietwagen umzusetzen, würden nun neue Berichts- und Genehmigungspflichten sowie eine zusätzliche Preisregulierung im Mietwagenbereich eingeführt werden.

"Privatwirtschaftliche Mobilitätsangebote werden weiterhin strukturell gegenüber kommunalen Anbietern und dem Taxigewerbe benachteiligt – zulasten von Umwelt und Verbrauchern", gibt der BVDW in seiner Stellungnahme zu bedenken. Aktuelle Verkehrsprobleme wie die lückenhafte Individualmobilität, Umweltbelastungen, Staus und Parkraumengpässe ließen sich so nicht bewältigen. Erzwungene Leerfahrten für Mietwagenanbieter müssten abgeschafft werden".

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Das BMVI habe "die Chance verpasst, Mobilität konsequent digital und klimafreundlich zu entwickeln und sich von überholten, historischen Vorschriften zu trennen, die Innovationen erschweren oder verhindern", kritisiert auch der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg. So könnten Kommunen die Rückkehrpflicht sogar auf Ride-Pooling-Anbieter ausweiten, sodass deren Fahrzeuge ebenfalls zum Betriebssitz zurückkehren müssten. Der ökologisch ausgerichtete Verkehrsverband VCD verlangt, dass der Bund generell klar definierte Mindestniveaus für Klima-, Umwelt- und Sozialstandards schafft.

Um eine Reise mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln so einfach und komfortabel wie möglich zu machen, führt laut dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) kein Weg an einer "umfassenden digitalen Vernetzung auf zentralen Plattformen" vorbei. Monopolbildung oder ein verwässerter Datenschutz müssten aber verhindert werden. Genehmigungsbehörden sollten stichhaltig darlegen, "dass Regulierungen aus verkehrlicher oder städteplanerischer Sicht notwendig sind". Verschiedene Ride-Pooling-Anbieter dürften nicht ungleich behandelt werden. Die geplante Pflicht zum Bereitstellen offener Mobilitätsdaten sei richtig.

(olb)