Falsche Zielgruppen und die Lidar-Analoge - die Fotonews der Woche 26/2024

Die neue Analoge von Pentax erregt die Gemüter, eine neue Rollei sicher auch bald, und der lange Streit um Fotos von Fototapeten wird eingedämmt.

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Die Rollei 35AF sieht aus wie ihr Vorbild von 1966, noch gibt es nur gering aufgelöste Bilder von ihr.

(Bild: Mint Camera)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

In der vorvergangenen Woche wurden mit der Pentax 17 und der Nikon Z 6III zwei sehr spannende Kameras vorgestellt – aber im Forum zu der letzten Ausgabe unserer Kolumne wurde nur eine diskutiert. Nicht die Nikon mit dem auf den ersten Blick hohen Preis von 3000 Euro, sondern die Pentax für schlappe 550 Euro. Nicht nur in unserem Forum, auch in vielen anderen Kommentarspalten galt das vielen als viel zu teuer für eine Kamera ohne richtigen Autofokus, die nur im Halbbildformat fotografieren kann. Und eine gebrauchte analoge, bis hin zur Spiegelreflex, sei doch allemal viel billiger, war häufig zu lesen.

Bitte nicht mit einer Publikumsbeschimpfung verwechseln, aber: Wer so argumentiert, ist schlicht nicht die Zielgruppe für diese Kamera. Sie ist, und das hat Pentax von Anfang an so gesagt, für junge Menschen gedacht, die sich für analoge Technik an sich interessieren. Es gibt heute nämlich tatsächlich Leute, die gelernt haben, dass Fotos nur mit dem Smartphone und mit einer Hand gemacht werden. Stichwort Selfie. Da ist es, und das sollte jeden alten Hasen im Fotografieren freuen, doch schon mal ein Fortschritt, wenn diese Zielgruppe sich überhaupt dafür interessiert, eine Kamera mit beiden Händen vors Gesicht zu halten, durch einen Sucher zu blicken – Bildgestaltung – und durch die höheren Kosten Wert auf eine sinnvolle Bildauswahl legt.

Diese drei Punkte bringen beim Einstieg ins Fotografieren viel schneller voran als das beste Gerät. Und weil junge Menschen eben durch das Handy ans Bildermachen gewöhnt sind, muss man dieser Sozialisierung auch gerecht werden – so sehr man das auch beklagen mag. Das fängt schon mit dem Formfaktor an: Das Handy passt in die Hosentasche, die erste "richtige" Kamera muss das folglich auch tun. Kaum jemand will da den schweren Klotz einer ach so tollen, alten Spiegelreflex. Die braucht eine eigene Tasche oder hängt unhandlich an einem Gurt, und kann auch den Motiven erstmal Respekt einflössen. Mit kleinem Gerät geknipst zu werden, nicht nur selbst zu knipsen, ist auch etwas, das für Millennials selbstverständlich ist.

Für diese ist die Pentax 17 gemacht, das hat die Marktforschung des Herstellers ergeben – und auch abseits davon ist der Spaß am schnellen Bild zum Anfassen belegbar, nämlich durch die anhaltende Beliebtheit von kleinen Sofortbildkameras wie den Instaxen. Ja, man könnte die Kameras mit einem Spiegel wie in alten Polaroids viel billiger machen, nur: Dann würde sie höchstwahrscheinlich kaum jemand kaufen, weil zu klobig. Und letztlich ist jeder Vergleich eines neuen mit einem gebrauchten Gerät abseits vom Preis müßig: Für die Pentax gibt es Garantie bzw. Gewährleistung und hoffentlich auch Ersatzteile.

Nicht nur Pentax verspricht sich vom Trend zu analoger Fotografie neue Umsätze, auch die in Hongkong ansässige Firma Mint Camera. Die entwickelt seit Jahren eine Kamera für Kleinbild, also 35-Millimeter-Filme, und hat nun für diese "Rollei35AF" einen Zeitplan verkündet. Bereits Anfang 2024 hatten die deutschen Inhaber der Marke Rollei eine Kooperation mit Mint beschlossen; die neue Kamera war zuvor immer wieder mit kleinen Bildausschnitten als Teaser gezeigt worden.

Und in der Tat sieht die 35AF der legendären Rollei 35 von 1966 sehr ähnlich. Charakteristisch sind unter anderem die großen Einstellräder auf der Vorderseite. Und wie viele Kameras dieser Zeit ist sie in Schwarz und Silber gehalten, was heute Retro-Look genannt wird – in diesem Fall sieht das Vorbild aber tatsächlich so aus. Bemerkenswert, und unseres Wissens nach bei einer Kleinbildkamera noch nie versucht: Die Rollei 35AF arbeitet mit einem Autofokussystem, das Lidar zur Entfernungsmessung einsetzt. Diese kleinen Laserscanner nutzt unter anderem Apple seit dem iPhone 12 in manchen Modellen, auch andere Smartphones setzen inzwischen darauf. Wie präzise das mit der ungleich größeren Mechanik zum Bewegen der Linsen in der Rollei arbeitet, wird sich noch zeigen müssen. Das Objektiv setzt nämlich auf 35 Millimeter Brennweite bei f/2.8, vergleichsweise viel Glas.

Auch das OLED-Display ist für eine analoge Kamera ungewöhnlich, aber nützlich, um die manuellen Einstellmöglichkeiten zu kontrollieren. Wie das beim Blick durch den Sucher aussieht, ist noch nicht bekannt. Mit einigen Automatiken, aber auch manueller Belichtung, ist der Ansatz der Rollei 35AF ein ganz anderer als bei der neuen Pentax. Und natürlich ist der Preis dadurch höher: 849 Euro kostet die Lidar-Rollei. Ab September 2024 kann man sie vorbestellen, im Oktober soll sie dann ausgeliefert werden – Mint Camera warnt schon vor Lieferproblemen. Damit die auch garantiert eintreten, facht man den Hype an, indem man den genauen Termin zur Vorbestellung nur durch Registrierung für den Newsletter und dann über diesen erhalten kann. So arbeiten auch andere Start-ups seit Längerem.

Und beinahe ewig zieht sich auch der Streit um Fotos von einer Fototapete. Die Hintergründe dieser rechtlich reichlich komplexen Posse hatten wir schon beleuchtet. Am Donnerstag dieser Woche stand endlich eine Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof an. Die war, wie der BGH heise online bestätigte, nur für einen Tag angesetzt. Die Entscheidung wurde jedoch noch nicht vom Gericht bekannt gegeben. Aber der Rechtsanwalt Stephan Dirks hat in seinem Blog zumindest eine Tendenz zu berichten.

Demnach soll in zwei der drei verhandelten Fälle, so Dirks, das Gericht dazu neigen, die sogenannte "schlichte Einwilligung" vorauszusetzen, wie sie beispielsweise auch für die Vorschaubilder von Suchmaschinen gilt. Vom Laien für Laien gesprochen, denn dies ist ja eine Foto- und keine Jura-Kolumne: Wenn auf einem Foto von einem Raum, das diesen zeigen soll – unter anderem ging es beim BGH um Werbung für Ferienwohnungen –, eine Fototapete erkennbar ist, dann hat man womöglich nicht diese Tapete vervielfältigt, sondern sie ist halt nur zufällig da. In der kommenden Woche sollte durch eine Mitteilung des BGH dann endlich Klarheit herrschen.

(nie)