Fernsteuerung ausgefallen: Nordseewasser drohte, Amsterdam zu fluten

Eine der wichtigsten Schleusen- und Schöpfwerkanlagen der Niederlande schaltete im November 2023 plötzlich auf Handbetrieb. Der Vorfall wurde jetzt untersucht.

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Der Schleusenkomplex IJmuiden

Der Schleusenkomplex IJmuiden im Westen der Niederlande.

(Bild: Rijkswaterstaat)

Lesezeit: 3 Min.

Eine ausgefallene technische Fernsteuerung hat in den Niederlanden im November vergangenen Jahres beinahe eine Flutkatastrophe ausgelöst, die auch die Großstadt Amsterdam in Mitleidenschaft gezogen hätte. Der Vorfall wurde von der Rijkswaterstaat, die als niederländische Behörde für Wasserwirtschaft und öffentliche Arbeiten zuständig ist, inzwischen untersucht und das Ergebnis jetzt vorgestellt.

Bei der Störung am 2. November 2023 schalteten die Tore des Schleusen- und Schöpfwerks IJmuiden im Westen Amsterdams plötzlich nach einer Schleusung mitten in der Nacht gegen 3:52 Uhr auf manuellen Betrieb um. Mitarbeitern in einer Betriebszentrale in Schellingwoude, das 35 Kilometer vom Schöpfwerk entfernt östlich von Amsterdam gelegen ist, bemerkten das Problem zuerst nicht. Gegen 5:45 Uhr wurden sie dann durch den steigenden Wasserstand auf die Störung aufmerksam und schickten sofort einen Techniker nach IJmuiden, der die Schleusentore vor Ort schloss. Bis 7:24 Uhr strömte in der stürmischen Nacht Wasser in den Kanal – insgesamt stieg der Pegel in der Zeit um 32 Zentimeter.

Die Karte zeigt den Schleusenkomplex IJmuiden an der Nordsee im Westen Amsterdams. Der Nordseekanal führt durch die Hauptstadt der Niederlande und an Schellingwoude vorbei, wo sich die Betriebszentrale befindet.

(Bild: Rijkswaterstaat)

Der Schleusen- und Pumpwerkskomplex an der Nordsee leitet überschüssiges Wasser aus einem großen Teil der westlichen Niederlande ins Meer ab. Es dient primär dem Hochwasserschutz von Millionen von Menschen und soll das Einströmen von Wasser aus der Nordsee bei Hochwasser verhindern. Jährlich fließen etwa drei Milliarden Kubikmeter Wasser durch die Schleuse oder die sieben Pumpen des Schöpfwerkes in Richtung Meer. Mit der Anlage werden die Wasserstände des Nordseekanals, der nach Amsterdam führt, und des Amsterdam-Rhein-Kanals gesteuert.

Der Komplex ist für die Kontrolle der Wasserstände des Nordseekanals und des Amsterdam-Rhein-Kanals sowie der in diese Kanäle entwässernden Gebiete (die von Wasserverbänden verwaltet werden) von wesentlicher Bedeutung. Der Nordseekanal hat normalerweise einen Pegel von -0,40 Meter NAP (Normaal Amsterdams Peil – ähnlich Normalnull). Abweichungen davon dürfen nicht zu groß ausfallen, da höhere Pegel zu Überflutungen führen und niedrigere Stände große Seeschiffe beeinträchtigen, die in Richtung Amsterdam unterwegs sind.

Die Untersuchung durch externe Gutachter hat ergeben, dass aufgeschobene Wartungen und Veränderungen an der Software den Funktionsverlust ausgelöst haben könnten. Die genaue Ursache wurde bislang allerdings nicht identifiziert. Kritisch wird auch gesehen, dass das Ansteigen des Pegels erst so spät auffiel. Immerhin hätten die zuständigen Behörden und Firmen nach Bekanntwerden aber schnell und richtig reagiert.

Als Reaktion auf den Vorfall wird der Schleusen- und Pumpwerkskomplex jetzt wieder vor Ort von Mitarbeitern bedient. Bedienstete seien rund um die Uhr in IJmuiden. Außerdem wurde im Kontrollraum ein zusätzliches akustisches und optisches Warnsignal installiert, das ausgelöst wird, wenn der Wasserstand des Nordseepegels steigt.

(mki)