Filmindustrie sucht nach undichten Stellen

Mit "Sicko", "Ratatouille" und "Hostel 2" sind gleich drei Filme, in die die Unterhaltungsindustrie hohe finanzielle Erwartungen gesetzt hat, vor dem Kinostart im Netz aufgetaucht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 249 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Moderne Piraten wüten nicht in der Karibik, sondern im Internet und auf der Straße. Dort vertreiben die digitalen Freibeuter Filme oder Musik und treiben damit zwei stolze Industrien in den Ruin. So zumindest tönt es seit Jahren aus Hollywood und den PR-Abteilungen der Big Four.

Ob der nicht wegzudiskutierende Umsatzrückgang aber ausschließlich mit illegal verbreiteten Kopien begründet werden kann, wird derzeit in den USA wieder heiß diskutiert. In der Sommer-Saison, die klassische Kinozeit in Amerika, starten die großen Blockbuster und Familienfilme. Das Wall Street Journal berichtet von den Bemühungen der Filmbranche, einer neuen Piraterie-Welle Herr zu werden. Gleich drei Filme, in die hohe Erwartungen gesetzt werden, sind schon vor dem Kinostart im Netz und auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht. Die Industrie sucht jetzt nach den Quellen der illegalen Kopien.

Der Dokumentarfilmer Michael Moore sieht die Vorab-Premiere seines neuen Werkes "Sicko" (über das Gesundheitswesen) in den P2P-Netzen als willkommene Verbreitung seiner Botschaft. Moore hält die Urheberrechte für zu restriktiv und den Ansatz der Industrie, die Filesharer auf dem Rechtsweg zu verfolgen, für falsch. Die Verleiher des Films, der am 29. Juni in die US-Kinos kommen soll, sehen das anders. Sie haben jetzt Ermittler beauftragt, die Quelle des online veröffentlichten Materials zu enttarnen.

Die kann bei noch nicht offiziell angelaufenen Filmen eigentlich nur innerhalb der Industrie selbst liegen. Außer der Panne bei "Sicko" deutet auch im Fall zweier anderer derzeit zirkulierender Filme – Disneys Animationsfilm "Ratatouille" und der Horror-Schocker "Hostel 2" – alles in diese Richtung. Eine mögliche Quelle sind die zahlreichen Testvorführungen, bei denen die Studios ihre Filme mit Hilfe von Fragebögen und Fokusgruppen bis zur allerletzten Minute auf die Publikumserwartungen trimmen. Das führt nicht nur zu immer formelhafteren Filmen, sondern auch zu einem Sicherheitsproblem.

Innerhalb der Filmindustrie glaubte man allerdings, das in jüngster Zeit besser in den Griff bekommen zu haben. Strenge Sicherheitsvorkehrungen herrschen an den Produktionsstätten und bei Vorabvorführungen; auch Journalisten müssen bei Presse-Screenings nicht nur ihre Jacke abgeben. Doch scheint es weiter Lücken zu geben. Disney hat "Ratatouille" vor dem Kinostart am 29. Mai rund 800-mal in so genannten Sneak Previews gezeigt. Experten schätzen laut WSJ, dass die im Netz verbreitete Kopie auf einer dieser "Sneaks" aufgezeichnet worden sein könnte.

Im Fall von "Sicko" und "Hostel 2" stammt das Ausgangsmaterial wohl direkt aus dem Produktionsprozess, offenbar von Arbeitskopien. Die Macher des zum noch jungen Genre "Torture Porn" zählenden Streifens "Hostel 2" machen denn auch die Piraterie gleich für das enttäuschende Einspielergebnis zum Start verantwortlich. Während "Hostel" als Low-Budget-Produktion (rund 5 Millionen US-Dollar) bereits am ersten Wochenende das Vierfache seiner Produktionskosten einspielte, blieb das Startergebnis des Nachfolgers hinter seinem Budget von etwa 10 Millionen US-Dollar zurück. Das, so halten Filmkritiker dagegen, könne allerdings auch daran liegen, dass "Hostel 2" einfach ein schlechter Film ist.(vbr) (gr)