Krieg und Frieden, Religion und Wissenschaft in „Planet der Affen: New Kingdom“
Im neuen Planet-der-Affen-Film geht es um Dominanz, Vertrauen, Intrigen und die Frage, ob und wie Menschen und Affen koexistieren können. Kurz: Bis einer heult.
Sieben Jahre ist es her, seit "Planet der Affen" zuletzt im Kino zu sehen war. Die Trilogie um den Schimpansen Caesar ist mit dem neuen Film abgeschlossen: Mit "Planet der Affen: New Kingdom" beginnt etliche Generationen später eine neue Ära, in der Caesar als Legende durch die Kultur der Affen spukt. Die haben inzwischen eine Stammesgesellschaft gegründet und ihre gemeinsame Geschichte mit den Menschen nahezu vergessen.
Ein neues Königreich
Auf den ersten Blick scheint das "Planet der Affen"-Reboot wenig neue Ideen zu enthalten. Wie nahezu alle großen Produktionen setzt auch diese auf eine bekannte Geschichte mit einer verlässlichen Fangemeinde. Das minimiert das Risiko finanzieller Verluste und ermöglicht nach moderner Hollywood-Logik erst ein hohes Budget. Auch der Untertitel "New Kingdom" ist zum Gähnen: Gerade laufen "Godzilla x Kong: New Empire" und "Ghostbusters: Frozen Empire" in den Kinos. Alle setzen gerade aufs Großreich, so scheints.
Hier passt der Titel jedoch, denn es geht in "New Kingdom" tatsächlich um Machtinteressen und eine neue Weltordnung. Seine Stärken zeigt der Film unter anderem beim Worldbuilding.
Die Story
Der Clan um den Schimpansen Noa (Owen Teague) lebt ein zunächst friedliches Leben in einem grünen Tal: Die Affen domestizieren Adler, reiten Pferde, räuchern Fisch und bauen Häuser aus Holz. Ihre Kultur ist eine archaische. Sie kennen weder Schrift noch Elektrizität.
In ihrer unmittelbaren Nähe stehen überwucherte Wolkenkratzer, denen man von Weitem ihren menschlichen Ursprung kaum mehr ansieht. Auf ihren Kletterabenteuern müssten die Schimpansen zwar merken, dass die Stahlgebilde keineswegs natürliche Strukturen sein können. Woher sie stammen, fragt sich aber anscheinend keiner.
Anscheinend macht sich angesichts globaler Erwärmung, zerstörter Natur und Kriegen zunehmend Lust an der Apokalypse breit. Auch "Fallout", "The Last Of Us" und viele andere neuere Spiele, Filme und Serien spielen in einer menschenleeren Welt inmitten von Ruinen, die von einstiger Größe zeugen.
Mythos, Religion und Schisma
Frieden ist ja selten von Dauer, so auch bei den Schimpansen: Kriegerische und körperlich überlegene Gorillas überfallen das Dorf und hauen beim gewaltsamen Aufbau ihres Königreichs alles und jeden zu Klump. Noa kann jedoch fliehen und trifft auf den Orang-Utan Raka (Peter Macon), der dem Geheimnis nachspürt, das in menschlichen Büchern steckt: "Die Symbole haben Bedeutung". Sie treffen auf die Menschenfrau Mae (Freya Allen), die anders zu sein scheint als ihre Artgenossen. Raka weiß, dass Caesar ein besonderes Verhältnis zu den Menschen hatte, und nimmt Kontakt zu ihr auf.
Wo es um ein Königreich geht, sind Machtinteressen im Spiel: Der Gorilla Proximus Caesar lässt sich vom alten Rom inspirieren und hat eine ganz andere Interpretation von Caesars Erbe als Raka. Die Technik der Menschen vor dem Untergang ihrer Zivilisation soll ihm zu Macht und Größe verhelfen. Ohne die Hilfe der Menschen schafft er das jedoch nicht und sein Schlüssel zu ihnen ist Noa. Damit geht der Konflikt mit den Menschen und der ewige Kreislauf aus Aufstieg und Fall großer Zivilisationen von vorne los.
Die Affen befinden sich in einem dunklen Zeitalter, in dem nur wenige eine blasse Ahnung von Geschichte haben. Wie die Granden des Mittelalters eifert Proximus dem römischen Erbe nach. Ein interessanter Aspekt ist das Schisma des beinahe religiös verehrten Caesar: Raka studiert die Relikte der Menschen und hält Koexistenz für möglich, da schließlich auch Caesar mit Menschen zusammenlebte. Proximus sieht lediglich dessen Seite als mächtiger Herrschers.
Beide kennen nur ein Stück der Wahrheit, von der sie eine vage Ahnung haben, beide wollen die Geheimnisse der Menschen lüften. In ihrer quasireligiösen Verehrung von Caesar kommen sie zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Hier entwickelt der Film eine clevere Idee, ohne aber mit dem Holzhammer draufzuhauen.
Stilistisch nah am Original
Regisseur Wes Ball sucht die stilistische Nähe des Originals von 1968 mit Charlton Heston. Das zeigt sich beispielsweise an den Gorillas, die zu Pferde mit Netzen Jagd auf Menschen machen. Auch der Soundtrack von John Paesano erinnert mit seinem starken Akzent auf Bongotrommeln und atonalen Intervallen an den von Jerry Goldsmith von 1968.
Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen französischen Roman (Originaltitel: "La Planète des singes") von Pierre Boulle und erzählt ähnlich wie "Farm der Tiere" mit viel Humor eine Parodie auf die vermeintliche Überlegenheit des Menschen über die Natur oder andere Kulturen. Den zuweilen bitteren, immer amüsanten Galgenhumor des Originals lässt "New Kingdom" jedoch leider vermissen.
Realistische Affen
In "New Kingdom" wirken die Affen erstmals weder wie Menschen mit Masken noch wie Videospielfiguren. Das neuseeländische Effektstudio Wētā FX erweckte sie als sprechende, agierende und Gefühle zeigende Charaktere digital zum Leben. Erstmals erhalten sie dabei vollständig das affige Wesen: Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas zeichnen sich durch eine jeweils eigene Körpersprache aus, die davon zeugt, wie genau die Digitalkünstler ihr Objekt studiert haben müssen.
In den Sechzigern verpasste John Chambers 200 Schauspielern und Statisten ein prosthetisches Make-up, das für die damalige Zeit unglaublich viel Mimik zuließ. Üblich waren unbewegliche Gummimasken wie die des Gorn in der Star-Trek-Folge "Arena", in der Captain Kirk auf einem felsigen Planeten gegen ein Reptilienwesen kämpft. Chambers erhielt im Jahr 1968 zu Recht den Special Achievement Oscar. Der Schauspieler und Performance-Capture-Spezialist Andy Serkis lieh dem Schimpansen Caesar in der vorigen Trilogie seine Mimik und Gestik; im aktuellen Film war er lediglich beratend tätig. Gegenüber der Trilogie von 2011 bis 2017 hat Wētā FX deutliche Fortschritte gemacht und zeichnet viel realistischere Affen als je zuvor.
Unterm Strich
Die Geschichte wirkt über Strecken recht vorhersehbar. Der Gorilla Proximus driftet zuweilen ins Klischeehafte ab und wirkt dann im Gegensatz zu den übrigen Charakteren eher wie die Figur eines Disneyzeichentrickfilms als wie ein realer Affe. Das Zeug zum Klassiker, der die Jahrzehnte überdauert, hat "New Kingdom" vermutlich eher nicht, wohl aber zu einem guten und gar nicht mal so dummen, auf jeden Fall unterhaltsamen Kinoabend.
(akr)