Flatrate-Drossel: Regulierer hat wenig gegen die Telekom in der Hand

Es sei Sache der Netzbetreiber, wie sie ihre Tarife gestalten, erklärte ein Vertreter der Bundesnetzagentur. Die 384-KBit/s-Bremse könne aber mit den Zielen der Breitbandstrategie der Bundesregierung in Konflikt geraten.

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Die Bundesnetzagentur sieht wenig Chancen und keinen Anlass, gegen das geplante Tarifmodell der Deutschen Telekom an sich vorzugehen. Es sei Sache der Netzbetreiber, wie sie ihre Tarife gestalteten, erklärte Friedhelm Dommermuth von der Bonner Behörde am Mittwoch beim 4. Fachdialog Netzneutralität des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin. Dass die Telekom mit der Änderung versuche, ihre Preise zu erhöhen, sei zunächst kein Problem und dürfe nicht mit Fragen der Netzneutralität vermischt werden. Das Vorhaben könnte aber zumindest indirekt mit der Breitbandstrategie der Bundesregierung in Konflikt geraten, meinte Dommermuth. Diese gehe bereits seit einigen Jahren von Bandbreiten von mindestens 1 MBit/s aus. Damit passe die von der Telekom geplante 384-KBit/s-Bremse nicht zusammen.

Problematischer sei laut Dommermuth das derzeit überprüfte Vorhaben des Bonner Konzerns, bestimmte Zusatzdienste nicht auf das eingeschlossene Datenvolumen anrechnen zu wollen. Dabei müsse vor allem geprüft werden, ob Wettbewerber solche "Managed Services" adäquat nachbilden könnten anhand angebrachter Preise für Vorleistungen der Telekom. Dieses Feld sei aber "dynamisch" zu sehen, da ein "bedarfsdeckender Netzausbau" nötig sei, damit alle Datenpakete weiterhin mit der gleichen Priorität behandelt und schnell in bestmöglicher Qualität weitergeleitet werden ("Best-Effort"-Internet).

Der Mannheimer Rechtsprofessor Thomas Fetzer hatte ebenfalls keine wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine volumenbasierte Abrechnung. Es sei aber geboten, "lineare Rundfunkangebote" dem vertraglich vereinbarten Volumen nicht anzurechnen, dazu seien die Plattformanbieter verpflichtet. Der Knackpunkt bleibe das Telekom-Vorhaben, sonstige multimediale Dienste nicht auf das Datenvolumen anrechnen zu wollen, wenn der Anbieter einen Aufpreis zahlt. Fraglich sei, wie sich die Zunahme von Managed Services auf das Best-Effort-Netz auswirke und ob dieses den Namen Internet dann ĂĽberhaupt noch verdiene. Letztlich gehe es um einen Ausglichen zwischen den Interessen kommerzieller Zugangsanbieter und der gesellschaftlichen Bedeutung des Netzes.

Für Christian Bongard vom Bundeskartellamt gibt es in dem Fall noch zu viele Unklarheiten. Die Behörde könne daher noch kein förmliches Verfahren einleiten. Dafür müsse eine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens gegeben sein, wovon im Breitbandanschlussmarkt derzeit nicht auszugehen sei. Eher könne dies auf die Telekom beim Markt für Diensteanbieter zutreffen, falls die Telekom mit eigenen Produkten wie Entertain Konkurrenten zu verdrängen suche.

Im Namen der Monopolkommission äußerte Klaus Holthoff-Frank die Befürchtung, dass das Thema Netzneutralität dazu missbraucht werde, "um diskriminierungsfreie Tarifmodelle von Anfang an zu hinterfragen". Gefordert werde vielfach ein bestimmtes Flatrate-Modell, das sich aber im Wettbewerb ergeben müsse. Er hielt es daher für überflüssig, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern.

"Ich fände eine klare Regelung gut", hielt Hans Hege, Chef der Medienanstalt Berlin­-Brandenburg, dagegen. Im Internet dürfe es genauso wenig wie im Rundfunk eine Prioritätszustellung für Mehrzahler geben. Bei der Zeitschriftenauslieferung an die Kioske über das Pressegrosso sei es ebenfalls verfassungsrechtlich ausgeschlossen, dass der Verlag, der die Geldbörse am meisten öffne, am schnellsten zum Kunden komme.

Für das Wirtschaftsministerium unterstrich Andreas Schuseil, dass die Politik klare Vorstellungen von Netzneutralität vertreten habe, die nicht kompatibel seien damit, auf der Datenautobahn Überholspuren durch Sonderdienste einzurichten. Auch das Modell, "von Diensteanbietern Eintrittsgeld zu kassieren", müsse zumindest "neutral funktionieren". Schuseil kündigte an, dass sein Ministerium im Juli eine Anhörung zum offenen Internet veranstalten und danach möglicherweise gesetzgeberische Aktivitäten empfehlen werde. (anw)