Flora-Incognita-App deckt Verhaltensweisen in der Pflanzenwelt auf

Ein Forschungsteam von iDiv und der Universität Leipzig entwickelte einen Algorithmus, der Veränderungen in der Pflanzenwelt erfasst.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Smartphone mit App bei der Pflanzenaufnahme.

Mit der App Flora Incognita lassen sich Pflanzen identifizieren.

(Bild: heise online / usz)

Lesezeit: 3 Min.

Ein Team von Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig haben einen Algorithmus entwickelt, der Beobachtungsdaten der App Flora Incognita analysiert und auswertet. Aus den Ergebnissen konnten die Forscher ökologische Muster ableiten, die zu neuen Einblicken in die Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflanzenwelt führen. Ihre Studie publizierten sie im Fachmagazin Methods in Ecology and Evolution.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse veröffentlichte der Informationsdienst Wissenschaft (IDW). Darin erläutern die Forscher, wie Pflanzen auf jahreszeitliche Veränderungen reagieren, indem sie etwa ihre Knospen aufbrechen, Blätter austreiben oder blühen. Der Klimawandel kann diese Phasen im Lebenszyklus von Pflanzen verschieben. Im Umkehrschluss erlauben Daten über solche phänologischen Veränderungen – also zeitlich wiederkehrende Entwicklungsstadien – Rückschlüsse über die Auswirkungen des Klimawandels. Doch für solche Analysen benötigen Wissenschaftler viele Daten. "Das Problem ist: Je weniger Menschen sich als Bürgerwissenschaftler an solchen Datensammlungen beteiligen, desto stärker leidet die Qualität der Daten", meint Karin Mora, Wissenschaftlerin an der Universität Leipzig und bei iDiv.

Mobile Apps wie Flora Incognita können hier helfen. "Wenn ich mit der App eine Pflanze aufnehme, wird diese Beobachtung mit einem Orts- und Zeitstempel versehen", erläutert Jana Wäldchen vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie (MPI-BGC), die Flora Incognita mit Wissenschaftlern der TU Ilmenau entwickelt hat. "So haben sich inzwischen Millionen von zeitgestempelten Pflanzenbeobachtungen aus verschiedenen Regionen angesammelt. Erdbeobachtungssatelliten erfassen zwar die Phänologie ganzer Ökosysteme von oben, aber die genauen Prozesse am Boden lassen sich damit schwer beurteilen", erläutert die Wissenschaftlerin.

Die Flora-Incognita-App ist eine beliebte Anwendung, um Pflanzen zu bestimmen. c´t hat diese App und andere kostenlose Alternativen zur Pflanzenerkennung 2023 getestet. Die Apps sind für iOS und Android verfügbar. Das Forschungsteam nutzte fast 10 Millionen Beobachtungen von beinahe 3000 Pflanzenarten, die zwischen 2018 und 2021 über die Flora-Incognita-App in Deutschland gesammelt wurden.

Jede Pflanze hat ihren eigenen Rhythmus, etwa eine spezifische Blüh- oder Vegetationsphase. Die Wissenschaftler leiteten aus diesen individuellen Verhaltensweisen ein Gruppenverhalten und ökologische Muster ab und untersuchten deren Veränderungen im Jahreszyklus. Sie stellten fest, dass phänologische Ereignisse in Flussökosystemen früher einsetzen als in Bergregionen.

Das Verfahren berücksichtigt auch das Beobachtungsverhalten der Nutzer, was im Gegensatz zu klassischen Datenerhebungen nicht systematisch erfolgt. Über die App gibt es mehr Beobachtungen am Wochenende und in dicht besiedelten Gebieten. "Unsere Methode kann diese Effekte von den ökologischen Mustern automatisiert isolieren", erklärt Karin Mora. "Weniger Beobachtungen bedeuten nicht, dass wir die Synchronisation nicht erfassen können. Im tiefen Winter gibt es zwar wenige Beobachtungen, aber auch nur wenige Pflanzen zu beobachten."

"Bekannt ist, dass der Frühling durch den Klimawandel immer früher einsetzt. Die konkreten Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Pflanzen und Insekten sowie auf die Ernährungssicherheit werden noch erforscht. Der neue Algorithmus ermöglicht nun eine bessere Untersuchung dieser Veränderungen auf die Pflanzenwelt", so Mora. Die Studie wurde unter anderem mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118) und durch den iDiv-Flexpool gefördert. Die komplette Studie ist im Open Access über das Internet abrufbar.

(usz)