"Fluchtsteuer" bei österreichischer Rufnummernmitnahme als Eigentor

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat die Anträge auf Aufschiebung der Rufnummernmitnahme im Mobilfunk abgewiesen. Zusätztlich zur behördlich genehmigten Gebühr verlangte Zahlungen entwickeln sich aber zum Streitobjekt.

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Nachdem der österreichische Verfassungsgerichtshof die Anträge von Mobilkom Austria und T-Mobile Austria auf Aufschiebung der Rufnummernmitnahme (MNP) abgewiesen hat, soll es am 16. Oktober wirklich losgehen: Wer dann den Mobilfunk-Netzbetreiber wechselt, kann seine Rufnummer inklusive Vorwahl behalten. Allerdings haben One, Mobilkom und T-Mobile angekündigt, zusätzlich zur behördlich genehmigten Gebühr (vier Euro für die Nummernübertragungsinformation) kündigenden Kunden weitere Zahlungen aufzuerlegen. Bei One sollen es 39 Euro sein, bei Mobilkom und T-Mobile "zwischen 20 und 40 Euro". Diese "Fluchtsteuer" ist nach Auslegung der Konkurrenten tele.ring und 3 aber gleich mehrfach rechtswidrig.

Zunächst hatten 3 und tele.ring betont, selbst keine derartigen Spesen einzuführen. Tele2 hat sich dazu noch nicht geäußert. "Dass der Kunde, der einen Netzbetreiber verlässt, noch einen netten Tritt in den Hintern in Form einer Gebühr bekommt, wird es bei uns nicht geben. Es könnte ja sein, dass der Kunde wieder einmal zu uns zurückkommt", sagte 3-Chef Berthold Thoma vergangene Woche. "Andere Netze wollen eine Portiersteuer einführen. Der Regulator wird dazu entscheiden müssen, aber wir sind der Ansicht, dass nichts zu verrechnen ist." Tele.ring-Chef Michael Krammer hat am heutigen Dienstag in Wien zudem ausgeführt, dass nach Auslegung seiner Juristen frühestens in zwei Monaten solche Strafzahlungen eingeführt werden könnten: "Uns würde die Fluchtsteuer der Konkurrenz sehr freuen. Denn ihre Einführung ist ein nicht ausschließlich begünstigender Eingriff in die jeweiligen allgemeinen Geschäftsbedingungen, was ein außerordentliches Kündigungsrecht auslöst: Die Kunden könnten dann ohne Rücksicht auf Mindestvertragsdauern und ohne Gebühren kündigen und samt ihrer Rufnummer wechseln."

Tatsächlich schreibt § 25 Absatz 2 des Telekommunikationsgesetzes vor, dass AGB-Änderungen zwei Monate im Voraus der Regulierungsbehörde anzuzeigen sind -- bislang gibt es nur mündliche Ankündigungen, aber keine derartigen formellen Anzeigen. § 25 Absatz 3 lautet: "Der wesentliche Inhalt der nicht ausschließlich begünstigenden Änderungen ist dem Teilnehmer mindestens ein Monat vor In-Kraft-Treten der Änderung in geeigneter Form, etwa durch Aufdruck auf einer periodisch erstellten Rechnung, mitzuteilen. Gleichzeitig ist der Teilnehmer auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Änderungen hinzuweisen sowie darauf, dass er berechtigt ist, den Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt kostenlos zu kündigen. (...)" Die drei großen Netzbetreiber legen das Gesetz hingegen so aus, dass die Einführung der Rufnummernmitnahme ein neuer Dienst sei, dessen Tarifierung nicht zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt. Doch Krammer ist sich seiner Sache sicher: Sollte rechtzeitig außerordentlich kündigenden Kunden doch eine Portierungsgebühr auferlegt werden, wird tele.ring diese Kunden bei ihrem Rechnungseinspruch bei der Regulierungsbehörde unterstützen und ihnen die Gebühr erstatten.

Zusätzlich schreibt das Telekommunikationsgesetz vor, dass eine Gebühr "nicht abschreckend" sein darf. Der informellen Auslegung dieser Bestimmung durch die Telekom Control Kommission (TKK) zufolge ist maximal ein Betrag von gesamt zwölf Euro (inklusive der vier Euro für die Nummernübertragungsinformation, inklusive Umsatzsteuer) als "nicht abschreckend" anzusehen. Sollte allerdings der aufnehmende Netzbetreiber dem portierenden Kunden die Gebühr ersetzen, könne auch ein höherer Betrag veranschlagt werden, da dann ja keine Abschreckung vorliege.

Von Verbraucherschützern und den kleineren Netzbetreibern wird die geplanten "Fluchtsteuer" auch deshalb kritisiert, weil in jedem Fall der abgebende Netzbetreiber gegenüber dem aufnehmenden Netzbetreiber einen Anspruch auf vollen Kostenersatz hat. Wurde aber zuvor bereits der Kunde belastet, reduziert dessen Zahlung den Anspruch. Ein finanzieller Gewinn für die Unternehmen durch die Belastung der Kunden ist also ausgeschlossen. Sollte die Portierungsgebühr nämlich über den Kosten liegen, läge eine rechtswidrige ungerechtfertigte Bereicherung vor, die zurückzuerstatten wäre. Entsprechend könne der Sinn der neuen Spesen nur in ihrer Abschreckungswirkung liegen, wird kritisiert.

Die Regulierungsbehörde wird die sehr umstrittene Höhe der Kosten in der zweiten Jahreshälfte 2005 rückwirkend zum 16. Oktober 2004 feststellen. Die Kosten je Rufnummernmitnahme sind im Voraus nicht abschätzbar, da sie von der Menge der insgesamt portierten Nummern abhängen. Die Forderungen der Netzbetreiber reichen von "weniger als zehn Euro" (3) bis zu 189,55 Euro (T-Mobile, inklusive Umsatzsteuer) je Portiervorgang. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)