Fokus Social Media: EU-Parlament will Hass und Hetze EU-weit strafbar machen

Meinungsfreiheit sei elementar für die Demokratie, versichern die EU-Abgeordneten. Sie dürfe aber nicht Schutzschild für "Hasskriminalität" missbraucht werden.

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(Bild: Sam Wordley/Shutterstock.com)

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Das EU-Parlament drängt auf einen schärferen Kampf gegen Hassrede und Hetze in allen Mitgliedsstaaten. Es hat sich am Donnerstag mit der Mehrheit von 397 zu 121 Stimmen bei 26 Enthaltungen dafür ausgesprochen, Aspekte von "Hasskriminalität" in die Liste der EU-Straftatbestände aufzunehmen. Entsprechende Rechtsverstöße müssten dann prinzipiell in der gesamten EU strafrechtlich verfolgt werden. Die Abgeordneten legen dabei einen besonderen Schwerpunkt auf eine universelle Absicherung der von Hetze betroffenen und schutzbedürftigen Gruppen und Gemeinschaften. Sie betonen zwar, dass die Meinungsfreiheit wichtig für die Demokratie sei. Dieses Grundrechte dürfe aber "nicht als Schutzschild für Hassreden und Hassverbrechen missbraucht werden".

Zu diesem Zweck fordert das Parlament die EU-Kommission auf, einen "offenen" Ansatz in Betracht zu ziehen, bei dem Hass und Hetze "auf der Grundlage sozialer Dynamiken" zu bewerten seien. Ferner sollen die Brüsseler Regierungsinstitution und die Mitgliedstaaten gegen den Missbrauch des Internets und der sozialen Medien vorgehen: Vor allem gezielte Werbung trage zur Verbreitung und Verstärkung von Hassreden sowie zur Anstiftung zu Diskriminierung und Gewalt bei. Besonderes Augenmerk sollte etwa auf Minderjährige gelegt werden, damit ihnen besonderer Schutz vor Vorfällen wie Schikanen in Schulen und Cyber-Mobbing gewährt werden könne.

"Neun von zehn Hassangriffen in Europa werden nicht angezeigt", monierte die parlamentarische Berichterstatterin Maite Pagazaurtundúa von den spanischen Liberalen. Daher blieben sie bislang ungestraft und damit auch "unsichtbar". Die Rechte der Opfer würden nicht ausreichend geschützt. Das Parlament appelliere daher an die Mitgliedstaaten "solche Ereignisse, die Grundrechtsverletzungen darstellen, objektiv" zu untersuchen.

Die Kommission regte die Initiative Ende 2021 selbst an. Die sogenannten Eurocrimes sind in Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführt, der entsprechend erweitert werden soll. Im zweiten Schritt will die Brüsseler Exekutivinstanz dafür sorgen, dass es in diesem Bereich in allen Mitgliedstaaten "für die Festlegung von Straftatbeständen und Strafen gemeinsame Mindestvorschriften gibt".

Die Justizminister der 27 EU-Länder begrüßten das entsprechende Gesetzesvorhaben der Kommission im Februar 2022 grundsätzlich bei einem informellen Treffen im französischen Lille. Einige Regierungen hatten damals aber noch Bedenken. Die Volksvertreter fordern den Ministerrat daher nun auf, einen einschlägigen Beschluss unter Aktivierung einer europarechtlich geregelten "Überleitungsklausel" zu treffen und damit das Einstimmigkeitserfordernis zu umgehen.

Länder wie Österreich und Spanien brechen schon länger eine Lanze für das Vorhaben. Aus der Alpenrepublik etwa hieß es, Kommunikationsanbieter wie Telegram hielten sich bislang nicht an Vorgaben in einzelnen EU-Staaten. Deshalb sei es wichtig, auf europäischer Ebene vorzugehen und mehr Gewicht gegenüber den Plattformen geltend zu machen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist generell für ein entschlossenes Vorgehen gegen Online-Hass. Morddrohungen oder im Netz verbreitete Feindeslisten sind für ihn gezielte Einschüchterungsversuche. Das Strafrecht sei da hierzulande schon klar: "Wer zu Gewalt aufruft, andere mit Mord bedroht oder Feindeslisten verbreitet, begeht eine Straftat. Dagegen müssen Polizei und Justiz in den Ländern entschieden vorgehen." Aus dem Haus des Liberalen hieß es, für Deutschland ergebe sich erst Handlungsbedarf, wenn die Kommission auch "Mindestvorschriften für die Definitionen und Sanktionen in Bezug auf Hetze und Hasskriminalität" vorlege.

(mho)