Folgenreicher Like: Wer Terror im Internet befürwortet, soll ausgewiesen werden

Ausländer sollen abgeschoben werden können, wenn sie auch nur eine einzelne terroristische Tat gutheißen. Es gibt Streit, ob ein Like dafür ausreichen könnte.

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Einsatzbereite Handschellen

(Bild: Maksim Kabakou/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung hat eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes auf den Weg gebracht. Damit sollen Ausländer, die terroristische Straftaten billigen, begrüßen oder verherrlichen, leichter ausgewiesen und im Anschluss abgeschoben werden. Eine strafgerichtliche Verurteilung muss dafür noch nicht erfolgt sein. Es soll in solchen Fällen ein "besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse" gelten, wie es bisher etwa in den Bereichen der Schleusungs- und der Betäubungsmittelkriminalität besteht.

Die Schwelle für das Greifen der neuen Klauseln hat das federführende Bundesinnenministerium (BMI) bewusst niedrig angesetzt. Dafür reiche bereits das Billigen beziehungsweise Werben für "eine einzelne terroristische Straftat", erklärt das Ressort. Bisher war ein Befürworten mehrerer solcher Verbrechen erforderlich. Fortan kann so laut dem BMI "schon ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen".

Den Begriff terroristischer Schriften im Strafgesetzbuch (StGB) will die Regierung durch "Inhalt" ersetzen. Dieser bezieht sich laut Paragraf 11 StGB unter anderem auf Content auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen. In der Begründung heißt es weiter: "Unter Verbreitung eines Inhalts kann daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch 'Gefällt mir' auf den Sozialen Medien wie YouTube, Instagram, TikTok etc. fallen." Sie bezieht sich dabei auf einen umstrittenen Beschluss des Landgerichts Meiningen von 2022 (Az.: 6 Qs 146/22).

Vor allem diese Like-Erklärung stößt auf gravierende Bedenken. "Dass schon ein unbedacht verteiltes Emoji zur Ausweisung führen soll, ist nicht verhältnismäßig", moniert Gisela Seidler, Vorsitzende des Ausschusses Migrationsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Es sei kaum nachvollziehbar, dass bereits ein Like auf Instagram oder Facebook eine Verbreitung terroristischer Inhalte konstituieren solle. "Die Beurteilung, was als 'Terrorismusbefürwortung' zählt, kann nicht den Ausländerbehörden überlassen werden", betont Seidler. Dies müsse den Strafgerichten vorbehalten bleiben, denn es ginge hier auch um die Grenzen der Meinungsfreiheit. Bei einer Verurteilung sei bereits jetzt eine Ausweisung möglich.

Die Rechtsexpertin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, sprach vom "vorläufigen Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung". Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland gehe, empörten sich deutsche Politiker zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines Likes in den sozialen Medien verfolgt oder gar inhaftiert werden könnten. Doch längst bewege sich die Bundesrepublik selbst in diese Richtung. Ausweisungen lösten aber keine gesellschaftlichen Probleme.

Das BMI kann die Aufregung so nicht nachvollziehen. "Eine Ausweisung ist eine gravierende rechtsstaatliche Entscheidung der örtlichen Ausländerbehörden, gegen die Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten besteht", erklärte ein Sprecher des Ministeriums gegenüber heise online. In der Begründung des Vorschlags sei zwar eine Landgerichts-Entscheidung in einem Strafverfahren zitiert. Diese treffe aber "keinerlei Aussage zur Frage von Ausweisungen", sondern "zur Verbreitung eines Inhalts im strafrechtlichen Sinne". Strafverfahren vor ordentlichen Gerichten seien andere als verwaltungsgerichtliche Verfahren zu etwaigen Ausweisungen. Insofern werde es hier auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ankommen.

"Aus Sicht des BMI kann ein 'Like' eine so gravierende Entscheidung wie eine Ausweisung nicht begründen", hob der Sprecher hervor. "Denn hierfür ist in jedem Einzelfall durch die Ausländerbehörde und gegebenenfalls im Anschluss durch Verwaltungsgerichte zwischen dem Bleibe- und dem Ausweisungsinteresse abzuwägen". Es seien also "schwerwiegende Gründe notwendig". Ausweisungen sollten vor allem in gravierenden Fällen wie Terror-verherrlichenden Videos und Hasskommentaren, die Taten begrüßten und zu weiteren animieren könnten, möglich sein. Auf die Frage von heise online, ob eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchgeführt worden sei und wie sichergestellt werden solle, dass die Umsetzung des Vorhabens datenschutzkonform erfolgen könne, antwortete das BMI nicht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstrich zunächst: "Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor. Auch in Deutschland wurden die Terrorangriffe der Hamas auf Israel auf widerwärtigste Weise in sozialen Medien gefeiert. Genauso menschenverachtend ist, wie die furchtbare islamistische Messerattacke in Mannheim, bei der der junge Polizeibeamte Rouven Laur getötet wurde, im Netz verherrlicht wurde." Es sei gut, dass dazu viele polizeiliche Ermittlungsverfahren liefen.

Die Initiative ist in Form einer sogenannten Formulierungshilfe ausgestaltet. Dabei handelt es sich in der Regel um Korrekturen an einem laufenden Gesetzgebungsvorhaben, die bereits mit den Regierungsfraktionen abgestimmt sind und dann schnell beschlossen werden können. Eine Anhörung oder 1. Lesung entfällt. Konkret sollen die umkämpften Artikel dem Entwurf eines Gesetzes "zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren" angefügt werden. Aus der Ampel-Koalition kamen überwiegend befürwortende Stimmen zu dem Kabinettsbeschluss.

(mki)