Knie-Exoskelett entlastet Rücken bei Hebe- und Tragearbeiten

Ein Knie-Exoskelett soll bei Hebearbeiten den Rücken entlasten und Verletzungen vermeiden. Durch die Verwendung von Standardbauteilen sind die Kosten niedrig.

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Das Knie-Exoskelett der University of Michigan.

Das Knie-Exoskelett der University of Michigan besteht weitgehend aus Standardbauteilen.

(Bild: José Montes-Pérez / University of Michigan)

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Wissenschaftler der University of Michigan (U-M) haben ein Knie-Exoskelett entwickelt und dabei hauptsächlich Standardbauteile wie etwa handelsübliche Kniebandagen und Drohnenmotoren verwendet. Das Exoskelett soll Ermüdungserscheinungen durch Hebe- und Tragevorgänge und damit vor allem Rückenverletzungen bei der Arbeit vermeiden. Durch den Einsatz von Standardbauteilen konnte der Preis niedrig gehalten werden.

Die Forscher der U-M verfolgen mit dem Knie-Exoskelett einen anderen Ansatz als andere Entwickler. "Anstatt direkt den Rücken zu stützen und die richtige Hebeform aufzugeben, stärken wir die Beine, um sie beizubehalten", sagt Robert Gregg, Professor für Robotik und Mitautor der Studie. "Das unterscheidet sich von dem, was in der Industrie üblicherweise gemacht wird."

Herkömmliche Exoskelette zur Unterstützung von Hebe- und Trageaufgaben stützen den Rücken. Die sperrigen Geräte sorgen jedoch auch dafür, dass die natürliche Haltung beim Heben aufgegeben werden muss. Zusätzlich sind andere Bewegungen stark eingeschränkt, sodass diese Exoskelette etwa deaktiviert werden müssen, um diese dann durchführen zu können.

Die Wissenschaftler der U-M wollen dagegen die Quadrizeps-Muskeln in den menschlichen Oberschenkeln unterstützen, die maßgeblich einen Großteil der Kraft beim sicheren Heben aus der Hocke heraus aufbringen. Dazu haben die Forscher ein Prototypen-Paar eines Knie-Exoskeletts entwickelt und gebaut, das die Quadrizeps-Muskeln unterstützt. Der Rücken werden bei Hebe- und Tragearbeiten entlastet, heißt es in der Studie "A versatile knee exoskeleton mitigates quadriceps fatigue in lifting, lowering, and carrying tasks", die in Science Robotics erschienen ist.

Das Knie-Exoskelett baut dabei auf einer herkömmlichen Kniebandage auf, wie sie etwa nach Sportverletzungen am Kniegelenk verwendet wird, um das Knie zu entlasten. Die Kniebandage wird über ein Getriebe von Motoren aus größeren Drohnen angetrieben. Das Getriebe ist dabei so gebaut, dass es ein freies Schwingen des Knies ermöglicht.

Eine Software ermittelt über eine Sensorik den Winkel des Kniegelenks sowie die Ausrichtung von Ober- und Unterschenkel. Zusammen mit einem Sensor im Schuh des Benutzers wird über eine Software die aufgenommene Kraft vorhergesagt. Aus den drei Messungen, die 150-mal pro Sekunde stattfinden, kann das System bestimmen, welche Bewegung der Träger ausführen möchte und wie viel Unterstützung für die jeweilige Aktion benötigt wird. Es kann nahezu übergangslos zwischen unterschiedlichen Bewegungen gewechselt werden.

Dies sei ein anderer Ansatz als bei vielen anderen Exoskelett-Steuerungen, erläutert Gregg. Diese würden vordefinierte Muster für eine begrenzte Anzahl von Bewegungen nutzen. Zudem brauchen diese Systeme mitunter eine Zeit lang, um zu ermitteln, welche Bewegung der Nutzer als Nächstes durchführen möchte. Das könnte etwa ein Problem sein, wenn der Nutzer eine Treppe hinaufgehen will, das Exoskelett aber denkt, er würde eine Treppe heruntergehen wollen, sagt Gregg.

Die Wissenschaftler haben dazu einen Controller entwickelt, der ein physikalisches Modell mit maschinellem Lernen kombiniert. Das verhindere, dass das Exoskelett falsche Bewegungen ausführt, falls sich der Benutzer anders bewegt, als es die im Controller enthaltenen Trainingsdaten zu den Aktivitäten vorsehen.

Das Forschungsteam hat das Knie-Exoskelett an fünf weiblichen und fünf männlichen Probanden ausprobiert. Sie mussten mit einem 9-kg-Gewicht mit Griff (Kettlebell) Kniebeugen bis zur Ermüdung durchführen. Die Probanden hatten vorab Erfahrung im richtigen Heben von Gewichten bei Kniebeugen. An einem weiteren Tag führten die Probanden die Kniebeugen im ausgeruhten Zustand durch. Sie mussten außerdem das Gewicht auf einer ebenen Fläche, einer Steigung und beim Treppensteigen tragen.

Die Studie ergab, dass die Studienteilnehmer durch das Knie-Exoskelett eine bessere Körperhaltung einnahmen und beibehielten. Dies deutet darauf hin, dass Verletzungen bei ermüdenden Arbeiten durch das Exoskelett effektiv vermieden werden können. Die Probanden konnten die Gewichte auch schneller anheben.

Die Kosten für die Erstellung der Prototypen lagen bei 4000 US-Dollar pro Paar. Bei einer Serienfertigung dürften sich die Kosten noch deutlich drücken lassen, auf etwa 2000 Dollar pro Paar, meint Gregg.

(olb)