Foto von Fototapete: Uneinheitliche Rechtsprechung zu Urheberrecht​

In Köln verletzt das Foto einer Fototapete das Urheberrecht des Fototapeten-Fotografen. In Düsseldorf und Stuttgart nicht.​

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Skulptur vor leicht bewölktem Himmel

(Bild: Hung Chung Chih / Shutterstock.com, Skulptur: Auguste Rodin, Der Denker)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ein Zimmer wird an Reisende vermietet. Fotos des Zimmers prangen auf Webseiten. Im Hintergrund pickt eine legal gekaufte Fototapete an der Wand. Macht das den Vermieter zum Rechtsbrecher? Laut Landgericht Köln ja, denn die Sichtbarkeit der Fototapete im Internet ist ein "Zugänglichmachen" jenes Lichtbildes, das der Fototapete zugrunde liegt – und damit eine Urheberrechtsverletzung. Das ist teuer. Die Landgerichte in Stuttgart und Düsseldorf sehen das anders – dem hat sich das Oberlandesgericht Düsseldorf am Dienstag angeschlossen (Az. I-20 U 56/23). Die Argumentationen unterscheiden sich grundlegend.

Anlass der Verfahren sind Abmahnungen von Rechteinhabern mit gesteigertem Rechtsbewusstsein. Seit Jahren belangen sie deutsche Kleinunternehmer, weil diese legal gekaufte Fototapeten legal an eine Wand tapeziert haben, die dann im Hintergrund eines öffentlichen Fotos zu sehen ist. Das sorgt für Ärger; viele Kleinunternehmer scheuen das Kostenrisiko einer Klage, übermalen die Tapete, und zahlen wütend tausende Euro.

Doch manche Betroffene können sich den Prozess leisten. Dabei scheiterte eine deutsche Zimmervermieterin im August 2022 vor dem Landgericht Köln (Az. 14 O 350/21). Das Gericht entschied, dass die im Urheberrechtsgesetz vorgesehene Ausnahme für unwesentliches Beiwerk nicht greife; um unwesentliches Beiwerk handle es sich nur, wenn es nicht auffallen würde, ob das Beiwerk im Bild zu sehen ist oder nicht.

Daher sei für die im Hintergrund zu sehende Fototapete eine zusätzliche Lizenz notwendig. Beim simplen Kauf einer Tapete von einem Händler könne man nicht davon ausgehen, dass so ein Nutzungsrecht eingeräumt würde. Die Beklagte ergriff kein Rechtsmittel, womit das Urteil rechtskräftig wurde.

Der Kölner Auffassung widersprach noch im Oktober 2022 das Landgericht Stuttgart (Az. 17 O 39/22, Streitwert rund 7.300 Euro). Die Beklage habe zwar die Fototapete vervielfältigt und dabei auch den ursprünglichen Urheber nicht genannt, das seien in dem Fall aber keine Urheberrechtsverletzungen. Denn es sei unerheblich, ob es sich um unwesentliches Beiwerk handle oder ob der Fotograf eine Lizenz eingeräumt habe. Denn nach Treu und Glauben sei der Urheber sowieso verpflichtet, in die bestimmungsgemäße Nutzung der legal erworbenen Fototapete einzuwilligen.

Ein Urheber dürfe nicht zuerst eine Fototapete lizenzieren und in Verkehr bringen, um dann Käufer wegen urheberrechtlicher Verstöße auf Schadensersatz zu verklagen, wenn sie Fotos eigener Zimmer veröffentlichen. "Etwas anderes mag gelten, wenn die Nutzung der Fototapete über eine naheliegende Verwendung hinausgeht oder die Fototapete nicht mehr als solche zu erkennen ist", aber darum geht es hier nicht. (Eine etwaige Berufungsentscheidung ist der Rechtsprechungsdatenbank Baden-Württembergs nicht zu entnehmen.)

Anders argumentierte das Landgericht Düsseldorf im April 2023 in einem sehr ähnlichen Fall mit höherem Streitwert (22.000 Euro, Az. 12 O 129/22), erteilte dem Kläger aber ebenfalls eine Absage. Denn das LG Düsseldorf teilt ausdrücklich nicht die Auffassung der Kölner Kollegen, wonach "für den Verkauf der Fototapete keine Übertragung eines Nutzungsrechts erforderlich sei und sich der Verkauf einer Fototapete auf den Vertragszweck der dinglichen Übereignung der Tapete erstrecke." Vertragszweck sei vielmehr, "Räume dauerhaft zu dekorieren, in denen Fotos erstellt werden und unter verschiedensten Umständen hiervon Bilder ins Internet gelangen, die Fototapeten also vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden."

Es sei nicht branchenüblich, gesonderte Vergütungen für übliche Nutzungshandlungen zu verlangen, dafür gäbe es gar keinen Markt. Und: "Ein Verbot, Räume, die mit einer Fototapete ausgestattet sind, zu fotografieren, würde die Verkehrsfähigkeit von Fototapeten maßgeblich einschränken." In so einem Fall trete das Urheberrecht in Anlehnung an den Erschöpfungsgrundsatz (Paragraph 17 Abs 2 Urheberrechtsgesetz) zurück. Zusätzlich würde so ein Verbot die Verwertung des ebenfalls urheberrechtlich geschützten Bauwerks, an welchem die Tapete haftet, erschweren.

Da der Fotograf bewusst Fotos für Fototapeten an seine eigene Firma lizenziert und dann über diese in Verkehr gebracht hat, sei objektiv zu erkennen, dass er mit der Nutzung seiner Bilder auf Wänden und deren Veröffentlichung im Internet einverstanden ist. Selbst wenn dem nicht so wäre, sei die Urheberrechtsklage ein Missbrauch deutschen Rechts. Denn der Kläger hätte es in der Hand gehabt, Hinweise auf die Notwendigkeit zusätzlicher Lizenzen oder der Erwähnung seines Namens in etwaigen Ablichtungen anzubringen. Durch seine Unterlassung "hat er die urheberrechtlichen Verletzungshandlungen, aus denen die ... Ansprüche hergeleitet werden sollen, selbst provoziert."

Der Fotograf gab nicht auf und wandte sich an das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. I-20 U 56/23). Bei der Verhandlung am Dienstag wurde deutlich, dass das OLG das Urteil des LG Düsseldorf bestätigen wird. Die Urteilsausfertigung mit Begründung folgt voraussichtlich im Februar.

Daniel Kötz, Rechtsanwalt der Beklagten, zeigte sich nach der OLG-Verhandlung im Gespräch mit heise online naturgemäß erfreut, jedoch nicht überrascht. Allerdings betonte der Jurist – so wie bereits vor Gericht – die konkreten Umstände des Falles: Die Fototapete war eben nur im Hintergrund an einer Wand angebracht. Sollte jemand die Tapete unüblich nutzen und ablichten, oder ein urheberrechtlich geschütztes Element der Tapete hervorheben, könnten deutsche Gerichte womöglich anders urteilen.

Die Kanzlei des Klägers hat sich gegenüber heise online nicht geäußert. Hinter der klagenden kanadischen Firma steckt der deutsche Fotograf Stefan Böhme. Er ist nach eigenen Angaben seit 20 Jahren als Unternehmer und Investor tätig, darunter in den Bereichen E-Commerce, Immobilien und erneuerbare Energie.

(ds)