Frankreich lenkt im Streit über EU-Patentreform ein Stück weit ein

Die französische Regierung hat ein Gesetz zur Ratifizierung des Londoner Übereinkommens verabschiedet, mit dem Übersetzungen für europäische Patente begrenzt werden sollen. Brüssel sieht so den Weg frei für weitere Novellen.

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Die französische Regierung hat Ende August ein Gesetz zur Ratifizierung des Londoner Übereinkommens verabschiedet. Der unter dem Dach des Europäischen Patentamtes (EPA) getätigte Vorstoß besagt, dass die ausführlichen Patentbeschreibungen der von der Münchner Behörde vergebenen Bündel nationaler Schutzansprüche nur noch in einer der drei Sprachen Englisch, Französisch oder Deutsch vorliegen müssen. Weitergehende Übersetzungen sollen nicht mehr nötig sein, damit ein gewerbliches Schutzrecht des EPA von nationalen Patentämtern anerkannt wird. Experten versprechen sich davon eine deutliche Vergünstigung europäischer Bündelpatente, da die Verdolmetschungen bislang einen Großteil der Kosten ausgemacht haben. Brüssel sieht mit dem Pariser Einlenken zudem nun den Weg größtenteils frei für die eigenen umstrittenen Pläne zur Reform des europäischen Patentwesens.

Frankreich hatte bisher bei seiner Weigerung zur Ratifizierung des Londoner Sprachenabkommens vor allem die Sorgen von Mittelständlern im Blick. Diese fürchten, noch häufiger als bisher mit Patentansprüchen in Konflikt zu geraten, wenn ihnen die naturgemäß oft schwer verständliche Fachmaterie nicht einmal in ihrer Muttersprache vorliegt. Beobachter waren aber davon ausgegangen, dass sich mit der Machtübernahme im Élysée-Palast durch Nicolas Sarkozy auch die Patentpolitik der Franzosen ändern würde. Zwar muss das französische Parlament im November noch zustimmen. Die Abgeordneten hatten sich aber schon 2006 für den Beitritt zu der internationalen Vereinbarung ausgesprochen. Die Ratifizierung durch Frankreich gilt damit als Formsache. Das EPA freut sich daher bereits, dass das Londoner Übereinkommen damit voraussichtlich im ersten Halbjahr 2008 nach langen Verzögerungen in Kraft treten kann.

Mit dem Durchbruch im Sprachenstreit sehen EU-Abgeordnete auch wieder neue Chancen auf die Verwirklichung der umkämpften Pläne, entweder über das ebenfalls aus der Feder des EPA stammende Europäische Übereinkommen zu Patentstreitigkeiten (EPLA) oder über das Prestigeprojekt der EU-Kommission zum Schaffen eines echten Gemeinschaftspatents ein zentrales Patentgericht für Europa einzurichten. Eine Einigung im EU-Rat auf das EPLA hatte Frankreich aufgrund europarechtlicher Bedenken im vergangenen Jahr noch verhindert. Doch auch hier könnte der Widerstand in Paris nun bröckeln. Softwarepatentgegner lehnen das EPLA und ein zentrales EU-Patentgericht ab, da sie andernfalls eine Sanktionierung der weiten Schutzansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" einschließende Vergabepraxis des EPA fürchten.

Klaus-Heiner Lehne, Experte für gewerblichen Rechtsschutz bei der konservativen Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, sieht die Entwicklung dagegen positiv: "Es gibt jetzt wieder eine sehr realistische Chance für das Gemeinschaftspatent", sagte er dem Handelsblatt. Die EU braucht dem CDU-Politiker zufolge dringend ein besseres Patentsystem, wenn sie im Wettbewerb um neue, innovative Produkte bestehen wolle. Die Kommission befürwortet in dem heftig umkämpften Gebiet mit ihrer Mitteilung zu einer "Vertiefung" des Patentsystems einen zweigeteilten Ansatz. Mit ihm soll das über die EU-Mitgliedsstaaten hinausreichende EPLA mit einer spezifischen Gemeinschaftsgerichtsbarkeit für Rechtsstreitigkeiten über die bisherigen europäischen Bündel- und die geplanten Gemeinschaftspatente in einem Mehrkammernsystem integriert werden.

Die portugiesische Ratspräsidentschaft bastelt derweil weiter an einem Kompromisspapier und sieht sich durch den Kurs Frankreichs ebenfalls beflügelt. Ihren Plänen nach sollen in der ersten Instanz in jedem EU-Land maximal drei Gerichte für Patentstreitigkeiten zuständig sein. Parallel dazu hat Portugal den Vorschlag gemacht, auch ein zentrales europäisches Gericht mit darüber hinaus gehender Reichweite zu etablieren. Jeder Patentinhaber könne dann wählen, wo er klagen will. Als Berufungsinstanz soll eine neue Patentkammer beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg geschaffen werden. Sollten die Portugiesen die Ratsvertreter auf ihre Seite ziehen können, rechnen EU-Diplomaten im November mit einer Bitte an EU-Binnenmarktskommissar Charlie McCreevy, einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorzulegen. Es gilt aber noch als offen, ob dazu der schon vorliegende Vorstoß zum Gemeinschaftspatent geändert oder ein separater Gesetzestext zur Gerichtsbarkeit ausgearbeitet werden soll. (Stefan Krempl) / (pmz)