Frankreichs Vorwürfe gegen Telegram-Chef Durow und neue Ermittlungen

Pawel Durow kommt gegen Kaution frei, muss aber in Frankreich bleiben. Außerdem wird der Vorwurf schwerer Misshandlung seines eigenen Kindes untersucht.​

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Telegram-Icon auf einem Smartphone-Bildschirm

(Bild: Sergei Elagin/Shutterstock.com)

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Nach gut drei Tagen ist Telegram-Chef Pawel Durow aus der Untersuchungshaft in Paris entlassen worden. Er musste fünf Millionen Euro Kaution hinterlegen, darf Frankreich nicht verlassen und hat regelmäßig bei der Polizei vorstellig zu werden. Durow ist unter anderem französischer Staatsbürger. Gegen ihn laufen in dem Land offenbar zwei Ermittlungsverfahren: eines wegen Vorwürfen in seiner Eigenschaft als CEO der Messaging-App Telegram, das andere wegen des Verdachts schweren Kindesmissbrauchs. Für Durow gilt in beiden Verfahren die Unschuldsvermutung, sein Anwalt stellt alle Vorwürfe in Abrede.

Das Office Mineurs, eine Spezialabteilung der Nationalpolizei Frankreichs, geht laut französischen Medienberichten der Frage nach, ob Durow in Paris schwere Gewalt gegen seinen jüngsten Sohn ausgeübt hat. Das Kind wurde 2017 geboren und lebt bei seiner Mutter in der Schweiz. Diese soll voriges Jahr bei schweizerischen Behörden Anzeige gegen den Vater erstattet haben.

Gleich zwölf Punkten gehen andere französische Ermittler in Zusammenhang mit Telegram nach. Das hat das zuständige Gericht, das Tribunal de Paris, mitgeteilt. Drei mögliche Verstöße betreffen französisches Verschlüsselungsrecht, sechs betreffen Beihilfe zu unterschiedlichen Verbrechen, die unter Zuhilfenahme Telegrams verübt worden sein sollen, und drei weitere betreffen Verbote, gegen die der Milliardär direkt verstoßen haben könnte.

Letztere sind

  • Bildung einer kriminellen Vereinigung in der Absicht, Straftaten zu begehen, die mit mindestens fünf Jahren Haft bedroht sind;
  • Geldwäsche für eine kriminelle Bande (organisiertes Verbrechen); und
  • Weigerung der Preisgabe von Information, die für rechtmäßiges Abhören erforderlich ist, trotz behördlicher Anordnung.

Die sechs möglichen Beihilfe-Tatbestände beziehen sich auf

  • Verwaltung einer Online-Plattform zu Ermöglichung bandenmäßiger, illegaler Transaktionen;
  • Besitz von Darstellungen Minderjähriger mit pädophilem Charakter;
  • bandenmäßige Verbreitung, Angebot oder Zurverfügungstellung von Darstellungen Minderjähriger mit pornografischem Charakter;
  • Kauf, Transport, Besitz, Angebot oder Überlassung von Betäubungsmitteln;
  • Angebot, Überlassung oder Zurverfügungstellung einer Sache, eines Programms oder von Daten, die für Attacken oder Zugriff auf ein EDV-System angepasst sind, ohne legitimen Grund; und
  • bandenmäßigen Betrug.

Verschlüsselungssoftware darf in Frankreich zwar frei genutzt werden, doch müssen Zurverfügungstellung, Import, Export und sogar Weitergabe innerhalb EU im Voraus angezeigt werden. Handelt es sich um Verschlüsselungsprodukte, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind (dual use), ist vorab eine behördliche Genehmigung einzuholen. Die Telegram-App unterstützt Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, auch wenn User sie für jede Unterhaltung ausdrücklich aktivieren müssen. Der Verdacht geht offenbar dahin, dass Telegram die vorgeschriebenen Anzeigen an oder Genehmigungen durch französische Behörden nicht eingeholt hat, bevor es die App in Frankreich auf den Markt gebracht hat.

Entsprechend ermitteln die französischen Behörden wegen möglicher

  • Zurverfügungstellung eines Verschlüsselungdienstes für Geheimhaltungszwecke ohne vorherige Anzeige;
  • Zurverfügungstellung eines Verschlüsselungswerkzeuges, das nicht nur Authentifizierung oder Integritätsüberprüfung dient, ohne vorherige Anzeige; und
  • Einfuhr eines Verschlüsselungswerkzeuges, das nicht nur Authentifizierung oder Integritätsüberprüfung dient, ohne vorherige Anzeige.

Politico berichtet, dass Frankreich auch nach Pawel Durows Bruder Nikolai Durow, dem zweiten Gründer Telegrams, fahndet. Die beiden Haftbefehle stammen demnach vom 25. März. Anlass für ihre Ausstellung soll die Weigerung des Telegram-Managements gewesen sein, polizeiliche Nachforschungen in Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch zu unterstützen. Womöglich gibt es auch einen Haftbefehl für Telegrams Vice President Ilja Perekopskij. Vorwürfe der direkten Beteiligung der genannten Männer an solchen Verbrechen stehen nicht im Raum. Pawel Durows Anwalt hat betont, dass Telegram alle europäischen Rechtsvorschriften einhalte.

(ds)