Französische Präsidentschaftsanwärterin macht sich für Privatkopie stark

Ségolène Royal, die für die Sozialisten die Präsidentschaft zurückerobern will, hat sich im Umfeld einer Anti-DRM-Demo in Paris gegen den Entwurf zur Urheberrechtsreform ausgesprochen. DRM-Hersteller wie Apple setzen ihre Hoffnung auf den Senat.

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Inmitten eines hitzigen Umfelds hat der französische Senat am gestrigen Dienstagabend seine Debatte über die heftig umstrittene Urheberrechtsreform wieder aufgenommen. Hersteller von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) wie Apple, Microsoft oder Sony bauen nun darauf, dass die Senatoren die vom Parlament beschlossene weite Interoperabilitätsklausel aus dem Gesetz kippen. Ihr zufolge müssten die Anbieter von Kopierschutztechniken im Bedarfsfall alle technischen Informationen herausgeben, die für das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme und Abspielgeräte erforderlich sind. Zuvor hatten am Sonntag mehrere hundert Aktivisten in Paris gegen DRM demonstriert. Rhetorische Unterstützung erhielten sie unter anderem von Ségolène Royal, der als aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidatin gehandelten Sozialistin, und dem Verband der Internetprovider.

Die Demonstranten erschienen teilweise in Gefangenenkleidern und trugen Schilder wie "Ich habe meine DVD unter Linux abgespielt" oder "Ich bin ein Krimineller". Andere Teilnehmer an dem Protestzug trugen T-Shirts mit den Aufschriften von Firmen wie Apple oder Microsoft und daneben Abbilder von Geldscheinen aus dem Spiel "Monopoly". Viele riefen auf Bannern zum Boykott der Unterhaltungsindustrie auf. Die Demonstranten legten zudem in der Nähe des Kultusministeriums einen Kranz "zum Gedenken an die Privatkopie und freie Software" nieder. Zu der Kundgebung hatte die Kampagne StopDRM.info in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Gruppierungen wie der Free Software Foundation France, dem Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur oder der Association des Audionautes aufgerufen. Nach Angaben der Organisatoren nahmen etwa 800 besorgte Bürger an dem Protestzug teil. Die Polizei will 300 Leute gezählt haben.

Die Hauptkritik der Demonstranten richtete sich gegen eine Bestimmung im aktuellen Gesetzesentwurf, die sich vor allem gegen die illegale Tauschbörsennutzung richten soll, aber umfassende Kollateralschäden entfalten könnte. Demnach soll mit bis zu drei Jahren Haft und Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro belegt werden, wer "wissentlich" und öffentlich Software verbreitet, die "offensichtlich darauf ausgerichtet ist", den unautorisierten Zugang zu geschützten Werken oder anderen Objekten zu gestatten. Open-Source-Anbieter fürchten, dass Basisprogramme aus der freien Softwarewelt unter dieses insbesondere von Vivendi Universal unterstützte Verbot fallen könnten.

Aus Solidarität mit den auf die Straße gehenden Bürgern ließ die Sozialistin Royal ebenfalls am Sonntag eine Mitteilung verbreiten, in der sie sich gegen das Reformprojekt aussprach. Sie widersetzte sich der "simplifizierenden Logik" des Entwurfs, die letztlich den "Interessen der Urheber und der Öffentlichkeit entgegenläuft". Der Regierung warf sie vor, die Gesetzmäßigkeiten des digitalen Zeitalters nicht verstanden zu haben. Die im Senegal geborene Politikerin, die Umfragen zufolge gegenwärtig bei Wahlen den möglichen konservativen Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy schlagen würde, kritisierte weiter, dass die Novelle in ihrer jetzigen Form "juristisch Verfahren zur Nutzungskontrolle (DRM) stärken", das Recht auf Privatkopien bedrohen, die Innovation bremsen und den digitalen Freiheiten Schaden zufügen würde. DRM benachteilige letztlich gerade diejenigen, die Werke über legale Plattformen erwerben.

Die Mitglieder des französisches Verbands der Internetprovider, der Association des fournisseurs d'accès et de services Internet (AFA), fühlen sich derweil ebenso wie die Open-Source-Entwickler direkt von dem Gesetzesvorhaben bedroht. Ihrer Ansicht nach könnte insbesondere die "Vivendi-Universal-Klausel" die Grundlagen des Internet unterwandern, da dieses prinzipiell einen Raum zum Austausch von Informationen darstelle. Weil der Entwurf nicht ausreichend dazwischen unterscheide, welche digitalen Daten noch transferiert werden dürfen und welche nicht, könnten die Zugangsprovider ihre Dienste eigentlich überhaupt nicht mehr anbieten. Der Staat schicke sich an, die Werkzeuge, Protokolle und Software zu verbieten, die für das Funktionieren des Internet unentbehrlich seien. Auch der Einsatz von noch so ausgefeilten Filtertechniken könne keine Abhilfe schaffen, sondern würde die Kommunikationsfreiheit nur zusätzlich in Gefahr bringen. Die Senatoren sollten daher die "unheilvolle" Passage aus dem Gesetz streichen.

Die Meinungsbildung im Senat läuft aber in die entgegen gesetzte Richtung. Die auf der Tagesordnung stehenden Änderungsanträge sehen unter anderem den Erhalt sowie die Stärkung des Vivendi-Universal-Paragraphen vor. Darüber hinaus soll die Interoperabilitätsklausel ganz gestrichen oder zahnlos gemacht werden. Ein Korrekturvorschlag würde es etwa Apple oder Sony erlauben, die für eine Dekompilation ihrer DRM-Formate nötigen Informationen geheim zu halten. Voraussetzung wäre, dass sie dazu die Genehmigung der Künstler erhalten, deren Werke sie mit den technischen Schutzverfahren abdichten.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)