Freenet: Stunde der Wahrheit

Bei der turbulenten Aktionärs-Hauptversammlung der Freenet AG am gestrigen Freitag konnte der umstrittene Vorstandschef Eckhard Spoerr sich letztendlich behaupten – wie seine Zukunft im Unternehmen aussieht, bleibt jedoch unklar.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Georg Ismar
  • Martin Murphy
  • dpa

Von einer Schlammschlacht, einem Showdown und einem beispiellosen Akt war im Vorfeld die Rede. Eckhard Spoerr, Vorsitzender des Telekommunikationsunternehmens Freenet, sollte am Freitag auf der Hauptversammlung in Hamburg gestürzt werden. Aber die Marathonsitzung nahm für den Freenet-Gründer ein gutes Ende. Der Antrag der Großaktionäre United Internet und Drillisch, die 26 Prozent kontrollieren, fand keine Mehrheit. Insgesamt unterstützten nur knapp 36 Prozent der Aktionäre die Abwahl Spoerrs. Dieser machte seinen Gegenspielern sogar ein Friedensangebot: "Wir können auch ein Bier gemeinsam trinken, so schlimm ist es doch nicht."

Der Redebedarf aufgebrachter Aktionäre war so groß, dass mitunter das Mikrofon abgestellt wurde. Zornige Anteilsinhaber forderten Klarheit beim milliardenschweren Kauf des Mobilfunkanbieters Debitel. Argwöhnische fragten nach, ob Spoerr einen Teil seines Vermögens nach Südafrika transferiert habe – und dann waren da nicht zuletzt Klagen über den ewigen Streit zwischen dem Freenet-Vorstand und dem Großaktionärs-Duo Drillisch/United Internet. "Diese ständigen Streitigkeiten um Macht und Geld gehören endlich beendet", rief ein Aktionär.

Der 40-jährige Spoerr hatte alles getan, um eine Mehrheit für sich zu organisieren. Einem INsider zufolge wurde "schon im Vorfeld heftig in den Kulissen geschoben, damit Spoerr den Posten behalten kann". Und Drillisch-Vorstand Vlasios Choulidis griff schon am Morgen der Entscheidung vor: "Ich glaube nicht, dass wir die nötige Mehrheit erhalten werden." Das Anti-Spoerr-Lager hatte eine Armada an Anwälten aufgeboten, die das Aktionärstreffen mit Dutzenden von Wortmeldungen und Nachfragen in die Länge zogen. So oder so: In Unternehmens- und Aktionärskreisen wird erwartet, dass Spoerr den Posten in den kommenden Monaten niederlegen könnte.

Wie kam es zu der Eskalation? Für United-Internet-Gründer Ralph Dommermuth und Drillisch-Vorstand Choulidis war Ende 2007 die Zerschlagung von Freenet beschlossene Sache. United Internet wollte die Internet-Sparte, Drillisch das Handygeschäft. Doch im Frühjahr holte der Freenet-Chef zum Gegenangriff aus: Durch den Kauf des doppelt so großen Mobilfunkanbieters Debitel konnte Spoerr sein Unternehmen mit nunmehr 19 Millionen Handy-Kunden zum drittgrößten Anbieter in diesem Bereich nach T-Mobile und Vodafone machen.

Die langfristige Entscheidung über den Verbleib Spoerrs wird jemand fällen, der gestern gar nicht auftrat: der Investor Permira, der durch den Verkauf von Debitel nun 25 Prozent an Freenet hält. Dem Vernehmen nach stößt Spoerrs Vorgehen auch bei Permira auf Kopfschütteln – zumal keine Ergebnisverbesserung in Sicht ist.

Die Aktionäre im Congress Centrum Hamburg waren sauer, aber viele standen trotz allem hinter Spoerr. Einen solch "grotesken Versuch der Aktionärsverdummung" habe er in 30 Jahren auf Hauptversammlungen noch nicht gesehen, sagte ein Aktionär. Statt ein attraktives Übernahmeangebot zu machen, wollten United Internet und Drillisch die freien Aktionäre für ihre Abwahlpläne gewinnen und so versuchen, Freenet einfach zu übernehmen, "ohne einen Cent zu zahlen".

Der Freenet-Aufsichtsratsvorsitzende und frühere RTL-Manager Helmut Thoma machte klar, dass der Aufsichtsrat "keine wie auch immer geartete Grundlage" für eine Abwahl sehe. Hermes-Vertreter Stephan Howaldt forderte, sich wieder mehr ums Tagesgeschäft zu kümmern. Robert Weber, Anwalt der Drillisch AG, ging hingegen mit dem Vorstand scharf ins Gericht: Ein strategisches Konzept fehle und die Aktie habe binnen eines Jahres 55 Prozent an Wert verloren.

Angesichts der scharfen Wortgefechte und vieler unzufriedener Aktionäre stellt sich die Frage, wie lange sich Spitzenverdiener Spoerr (ca. 4,4 Millionen Euro im Jahr 2007) an der Spitze des 1999 gegründeten Unternehmens aus Büdelsdorf halten kann. Das Ergebnis schrumpft seit Quartalen; ein Umsatzplus hält Spoerr erst in ein bis zwei Jahren für möglich. So sorgte seine Aussage, die Geschichte des Unternehmens sei "geprägt von kontinuierlicher Dynamik" bei so manchem für Kopfschütteln.

Georg Ismar, dpa; Martin Murphy, dpa-AFX / (psz)