Frühlingserwachen bei den Supercomputern

High Noon bei den Supercomputern, bis Mitte Mai sollten sie installiert sein, wollen sie in die nächste Top500-Liste der Supercomputer. Das gibt ein spannendes Rennen.

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Von
  • Andreas Stiller

Am Supercomputer im Garchinger Rechenzentrum, aufgebaut aus IBMs Hydro-Cluster p575, wird im Moment noch emsig geschraubt und installiert

Kurz vor Ablauf der Frist für Supercomputer, die noch in die nächste Top500-Liste vom Juni 2008 wollen, trudeln jetzt zahlreiche Meldungen über neue Supersysteme von überall herein. Bis zum 15.Mai, so die offizielle Frist des Top500-Teams, müssen die Systeme installiert sein; die Frist zur Einreichung von Linpack-Werten endete eigentlich schon am 15. April. Ende Juni wird dann die neue Top500-Liste auf der ISC2008 in Dresden präsentiert.

Am interessantesten dürfte wohl der Blick nach Los Alamos sein. Hat man es dort in den Labs noch rechtzeitig geschafft, mit dem IBM-Hybrid-System Roadrunner mit 6912 Opteron- und 12.690 PowerXCell-8i-Prozessoren die Petaflop-Marke zu knacken? Und wie weit wurde die Leistung des bisherigen Spitzenreiters, des BlueGene-Rechners im Rechenzentrum der Lawrence Livermore Labs aufgestockt? Der im Februar eingeweihte Texas Ranger mit seinen 330 TeraFlop/s war zu dem Zeitpunkt der schnellste zivile Rechner, vor dem zeitgleich eingeweihten JuGene in Jülich, Europas bislang schnellster mit 167 TFlops/s. Ende April hat sich aber noch ein Blue-Gene/P-Rechner des Argonne National Labs mit über 500 TFlops/s an die Spitze der zivilen Rechner gesetzt.

China, so hört man, will unbedingt die Nummer 1 in Asien sein, vor allem wollen die Chinesen vor Indien liegen, wo die Tata Group recht überraschend mit einem HP-Cluster von 118 TFlops/s den vierten Platz in der letzten Rangfolge belegte. Da könnte von Dawning oder Lenovo noch was Interessantes kommen.

Auch in Deutschland tut sich einiges. So hat IBM kürzlich eine Pressemitteilung zum neuen Supercomputer der Max-Planck-Gesellschaft in Garching bei München verschickt. Dort im Garchinger Rechenzentrum ist man bei den mit insgesamt 6600-Power6-Prozessoren bestückten p575-Hydro-Clustern derweil noch am Schrauben und Installieren und man muss sich sputen, will man obige Frist einhalten. Dann hat der Rechner mit 125 TeraFlop/s Spitzenleistung und vermutlich rund 100 TeraFlop/s beim Linpack-Benchmark gute Chancen, unter die Top 20 der Liste zu kommen.

Der neue Rechner ist um rund den Faktor 30 schneller als der alte Power4-Rechner des Rechenzentrums. Das System soll hochauflösende Simulationen von Sternen und kosmischen Strukturen durchführen, der Natur der Schwerkraft und der dunklen Materie nachspüren, Turbulenzen in Fusionsreaktoren simulieren und viele derartige Dinge mehr. Zusätzlich hat man hier auch einen BlueGene/P-Rechner mit 40 TFlop/s in Betrieb genommen. Einen im Prinzip baugleichen, aber etwas kleineren p575-Hydro-Cluster mit 76 TeraFlop/s-Spitzenleistung hat IBM jetzt auch ans National Center for Atmospheric Research (NCAR) ausgeliefert.

Für Mitte Mai ist ferner die Einweihung des Supercomputers des Max-Planck-Institutes für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover geplant. Hier soll ein Cluster von Pyramid Computer mit 1340 Intel Quad-Core-Prozessoren Xeon 3220 (2,4 GHz) und 10-GbE-Technik von Woven mithelfen, die Gravitationswellen aufzuspüren. Etwas mehr als 30 TeraFlop/s Linpack-Leistung ist dem Cluster namens ATLAS zuzutrauen. Das würde in der aktuellen Top500-Liste vom November 2007 für Platz 35 reichen, nicht schlecht für ein vergleichsweise kleines Institut – würde man die Kategorie "Rechenleistung pro Wissenschaftler" einführen, wären die Hannoveraner sicherlich noch weiter oben.

Ein paar Straßen weiter an der Leibniz-Universität baut man derweil an einem noch schnelleren System. Im Rahmen des Nordddeutschen Verbundes für Hoch- und Höchstleistungsrechnen (HLRN) soll hier bis zum nächsten Jahr ein SGI Altix/ICE-System mit bis zu 25.000 Xeon-Kernen für eine Spitzenleistung von über 300 TFlop/s aufgebaut werden. Wie weit man derzeit ist und was man dem Top500-Team schon melden konnte, ist noch geheim. Man munkelt im Umfeld um den Georgengarten etwas von 70 TFlop/s. Auch von den anderen deutschen Hochschulen und Instituten steht noch die ein- oder andere Überraschung zu erwarten.

Daneben hört auch von anderen zukünftigen Supercomputer-Projekten, so soll SGI der NASA im Sommer ein Xeon-Blade-Cluster mit 20.480 Kernen und 10 TeraByte Speicher liefern. Und für das nächste Jahr haben sich die NASA, Intel und SGI zusammengetan, um unter dem Namen "Pleiades" ein PetaFlop-System zu realisieren – ob mit Xeons oder mit dem geplanten Itanium-Quad-Core-Chip Tukwila weiß man noch nicht. Bei Bull bastelt man an einem Hybrid-System mit dem kommenden Nehalem-Prozessore von Intel, unterstützt von Numbercruncher-Karten von Nvidia.

Und an den Lawrence Berkeley National Labs, dem zivilen Zweig der überwiegend militärisch genutzen Labs in Livermore, hat man neue Ideen, um energieparend in den Bereich von über 100 PetaFlop/s vordringen zu können. Dort, wo mit Horst Simon und Erich Strohmaier zwei der Top500-Macher zu Hause sind, haben die Wissenschaftler mit Tensilica ein Konzept erarbeitet, um mit Millionen besonders stromsparenden rekonfigurierbaren Kernen (Tensilica Extensa LX) neue Supercomputer-Designs aufzubauen. An einem Prototypen arbeitet man bereits. Ein Tensilica-Extensa-LX-Kern soll bei 450 MHz nur 0,5 Watt verbrauchen. (as)