Für Schwarzseher wird's eng: Haushaltsabgabe statt GEZ-Gebühren
Am 1.1. wird die Bezahlung für öffentlich-rechtliche Sender umgestellt. Statt für Geräte werden Bürger für ihre Wohnung veranlagt - einfacher wird die Zukunft für die Sender nicht. Aber wenigstens die GEZ (dann "Beitragsservice") will freundlicher werden.
Im neuen Jahr gibt es kein Entkommen mehr: Für jeden Haushalt in Deutschland wird ab 1. Januar ein Beitrag für den Empfang von ARD, ZDF und Deutschlandradio fällig. Der Regelbetrag von 17,98 Euro im Monat hängt dann nicht mehr davon ab, ob und wie viele Radio- und Fernsehgeräte in einer Wohnung oder Arbeitsstätte stehen. Mit dem neuen Rundfunkbeitrag wird flächendeckend und lückenlos kassiert. Eine Wohnung, ein Beitrag, lautet die Faustregel. Nachfragen, wer welche Geräte bereithält, sollen entfallen, heißt es aus der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln, die dann als Beitragsservice firmiert.
Mit der Umstellung reagiert die Medienpolitik auf die Entwicklung im Internet. Ob "Tagesschau" oder "Wetten, dass..?" – längst lassen sich die Angebote nicht nur auf dem Fernseher oder Radio empfangen, sondern auch auf PC, Smartphone oder Tablet. Wenn das Handy ein UKW-Radio hat und die "heute show" in der Mediathek steht, mutet eine Abgabe auf die klassischen Apparate in der Tat ziemlich alt an.
Das lässt sich bei der Reform schon jetzt sagen: Herumschnüffelnde GEZ-Kontrolleure an der Haustür soll es nicht mehr geben. Wenn jede Wohnung und jedes Büro, jede Werkstatt und jedes Hotel zahlen muss, ist es egal, wer wo welche und wie viele Geräte besitzt. Für Schwarzseher wird es allerdings eng. Die Einwohnermeldeämter teilen dem Beitragsservice Ein- oder Auszüge mit.
"Seit anderthalb Jahren arbeiten wir auf Hochtouren an der Umsetzung", sagt Hans Färber, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Gebühreneinzugszentrale (GEZ), zu der neuen Haushaltsabgabe. Ein ehrgeiziges Projekt, weil Färber mit einer Charme-Offensive das alte Inkasso-Image der GEZ ablegen will. Da gibt es tatsächlich einiges zu tun, zumal nach einer jüngsten Umfrage im Auftrag des Spiegel 60 Prozent der Befragten es nicht richtig fanden, dass ab Januar auch Haushalte ohne Fernseher und Radio den Rundfunkbeitrag entrichten müssten.
Es gehe um "eine neue Tonalität" gegenüber den zukünftigen Beitragszahlern, der neue Apparat solle nicht mehr so bedrohlich wirken, sagt Färber. Daher werde der Ton der Anschreiben überarbeitet, Mitarbeiter würden "intensiv geschult" – und: "Kontrollen an der Wohnungstür wird es in Zukunft nicht mehr geben." Stattdessen füllt der Beitragsservices zum Start des neuen Systems seine Register direkt beim Staat auf: "68,2 Millionen Datensätze der Einwohnermeldeämter werden bis Ende 2014 mit unserem Bestand abgeglichen." Bisher erhielt die GEZ nur Auskunft, wenn jemand aus ihrer Datenbank sich ummeldete. Die Lücken sollten die Kontroll-Klingler an den Haustüren füllen. Dass diese Haustürkontrollen ein Ende haben, daran gab es aber angesichts eines Entwufs für die Beitragsservice-Mustersatzung auch schon große Zweifel
Nach Abschluss der Reform Ende 2016 will Färber den Beitragsservice mit 20 Prozent weniger Geld betreiben als die alte GEZ. Außerdem plant er mit 930 statt bisher 1070 Mitarbeitern. Doch bis zum Abschluss der Umstellung ist es noch ein weiter Weg und ein noch größerer Aufwand. Daher hat die GEZ für die Reform 250 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt – vorübergehend, wie Färber betont. 80 Millionen Euro kostet die Reform insgesamt, etwa halb so viel wie die Kosten für ein Jahr Gebühreneinzug.
Für die meisten Bürger wird sich vermutlich wenig ändern: Sie zahlen heute schon den Höchstbetrag. Rund 600.000 Radiohörer, die keinen Fernseher haben, müssen künftig deutlich tiefer in die Tasche greifen. Statt der Grundgebühr von 5,76 Euro wird dann der volle Betrag fällig – eine Staffelung nach Gerät gibt es nicht mehr.
Allerdings dürften rund 1,5 Millionen Menschen auch sparen. So muss pro Wohngemeinschaft nur noch einmal gezahlt werden, egal wie viele WG-Genossen unter einem Dach leben; ähnlich ist es bei Menschen mit eigenem Einkommen, die noch bei den Eltern wohnen: Zahlen die Eltern die Gebühr, hören und schauen die Kinder ohne Abgabe. Für Behinderte gibt es eine Sozialklausel, bei Hotels und anderen Betrieben wird der Beitrag gestaffelt.
Grundlage des Modells ist ein Gutachten des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof für ARD und ZDF. Allein die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, mache die Abgabe zur Pflicht, schrieb Kirchhof. Im 15. Rundfunkstaatsvertrag legten die Länder den neuen Bezahlmodus fest. Ohne eine Reform, sagt Martin Stadelmaier (SPD), scheidender Chef der Mainzer Staatskanzlei und führender Medienpolitiker, würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk bis 2020 wegen der demografischen Entwicklung etwa eine Milliarde an Einnahmen verlieren.
"Ob es bei den 17,98 Euro im Monat bleibt, ist noch unklar", sagt der Medienwissenschaftler Joachim Trebbe (Freie Universität Berlin). Das werde davon abhängen, ob mit dem neuen Modell die Einkünfte der öffentlich-rechtlichen Sender von zur Zeit rund 7,5 Milliarden Euro im Jahr auf diesem Niveau gehalten werden. Erst wenn feststeht, wieviel die neue Gebühr in die Kassen von ARD und ZDF spült, will die Finanzkommission der Sender (KEF) über eine Anpassung entscheiden.
Die Reform hat nicht nur Freunde. Bei den Landtagen gingen hunderte Beschwerden ein. Der Passauer Jurist Ermano Geuer klagt vor dem Bayerischen Verfassungsgericht gegen die Gebühr. Jeder müsse den Beitrag zahlen, egal ob er die Leistung in Anspruch nimmt oder nicht, kritisiert Geuer.
Digitalkanäle, Mediatheken, Internet – tatsächlich haben ARD und ZDF in den vergangenen Jahren deutlich auf Expansionskurs gesetzt. Die Sender argumentieren unter anderem, wenn sie die jüngere Generation erreichen wollten, müssten sie vor allem online präsent sein. Ohnehin laufe die technische Entwicklung auf die Verschmelzung der Empfangsgeräte hin.
Nicht alle sind von den Argumenten überzeugt – die Presseverleger etwa. Für sie ist die kostenlose "Tagesschau"-App eine aus Gebühren finanzierte Internet-Zeitung und damit unlautere Konkurrenz. Die Privatsender reiben sich an den Ausgaben für Bundesligarechte und andere Sportevents aus dem Milliarden-Topf der Gebühren.
Für den Medienwissenschaftler Trebbe werden mit der Gebührenreform die Angebote von ARD und ZDF stärker in die Diskussion geraten. Die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen sei zwar in einem halben Dutzend von Urteilen zementiert. "Aber dadurch, dass die neue Bereitstellungsgebühr in die Nähe einer steuerähnlichen Finanzierung rückt, die sehr umstritten ist, werden sich Zuhörer und Zuschauer fragen, was sie tatsächlich aus dem ganzen Angebot nutzen." (jk)