Spezifikationsabweichungen: eHealth-Hersteller sollen einander verklagen können

Damit sich Software-Hersteller an Vorgaben der Gematik, der künftigen Digitalagentur des Gesundheitsministeriums, halten, sollen sich diese verklagen dürfen.

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Susanne Ozegowski auf dem deutschen Interoperabilitätstag

Dr. Susanne Ozegowski vom BMG auf dem Interoperabilitätstag.

(Bild: heise online / mack)

Lesezeit: 3 Min.

In der Vergangenheit haben sich einzelne Hersteller von Software im Medizinwesen nicht an die Spezifikationen der für die Digitalisierung zuständigen Gematik GmbH gehalten. Künftig sollen sich darum die Hersteller gegenseitig verklagen dürfen, etwa, wenn die Software nicht interoperabel umgesetzt wird. Das hat Dr. Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung für Digitalisierung und Innovation des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) den Industrievertretern auf dem 8. Deutschen Interoperabilitätstag (DIT) in Berlin verkündet. Damit will das BMG verhindern, dass sich einzelne Hersteller nicht spezifikationskonform verhalten.

Über diese geplante Gesetzesnovelle zeigten sich die Industrievertreter empört. Damit werde das Problem auf die Hersteller abgewälzt, dabei sei die Zahl der Hersteller begrenzt, die Gematik-spezifische Produkte auf den Markt bringen, hagelte es Kritik aus dem Publikum. Dazu kam die Frage auf, welches Gericht über Anbieter entscheiden soll, die einander verklagen. Diese sollten sich jetzt wohl auch noch selbst kannibalisieren, Interoperabilität lebe schließlich von Austausch und Zusammenarbeit.

Viele Dinge seien zudem noch ungeklärt, beispielsweise, in welchen Fällen sich die Softwarehersteller verklagen dürfen. Aktuell gebe es bei der Umsetzung einer Spezifikation verschiedene Implementierungen. Außerdem sei es problematisch, wenn Software-Produkte top-down gebaut würden, da Software-Entwicklung ein agiler Prozess sei. Es sei schwierig, wenn die Hersteller erst zum Schluss in die Entwicklungsprozesse einbezogen würden, wandte Melanie Wendling ein, Geschäftsführerin vom Bundesverband Gesundheits-IT. Kritik folge auch von Prof. Sylvia Thun: "Standards kommen von der Industrie", diese lasse sich nicht einfach auseinandernehmen und stark verändern.

Ebenfalls kritisch sieht das Gesetzesvorhaben Markus Ritthaler, Produktmanager für Interoperabilität der Meierhofer AG. Er sieht die Gematik in der Pflicht, nachzuschauen, ob alles entsprechend der Spezifikationen umgesetzt wird. Hersteller sollten nicht prüfen müssen, ob die Konkurrenz die Spezifikationen richtig umgesetzt hat. Derzeit gebe es keine Kontrollinstanz außer der formalen Bestätigung, die Zertifizierung der Gematik. Sobald etwas nicht funktioniere, sollten sich Betroffene künftig jedoch bei der Gematik melden können.

Ozegowski kündigte überdies an, dass die Gematik mit einem geplanten Gesetzesvorhaben zum Kompetenzzentrum für Interoperabilität weiterentwickelt und damit eine zentrale und übergeordnete Instanz werden soll. Doch was das genau für die Umsetzung der Software-Produkte heißt, ist bisher unklar.

Wendling zufolge müssten oft Spezifikationen umgesetzt werden, die anschließend nicht gebraucht würden. Sie sei sich nicht sicher, welche Kompetenzen der Gematik zugeordnet werden sollen. Auch André Sander vom Software-Unternehmen Information und Dokumentation Berlin hat den Eindruck, die Gematik bekomme immer mehr Verantwortung und Aufgaben und dürfe Standards definieren, ohne sich ausreichend über die Konsequenzen einer ausufernden Komplexität bewusst zu sein. Bei der Entwicklung von Vorgaben sei es wichtig, die Industrie früher einzubeziehen.

(mack)