GDC: Deutscher Spiele-Entwickler gewinnt Innovationspreis

Mit Johann Sebastian Joust gewinnt Die Gute Fabrik bei den Game Developers Choice Awards den Preis für die beste Innovation: Ein "Folk-Game", das gar keine Grafik hat.

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Zum 15. Mal wurden in der Nacht zum Donnerstag die Oscars der Spielebranche in San Francisco verliehen.

So bunt gestreut waren die Preise für die besten Spiele beim Independent Games Festival (IGF) und den Game Developers Choice Awards, die anlässlich der Game Developers Conference in San Francisco verliehen wurden, schon lange nicht mehr. Trugen in den vergangenen beiden Jahren Titel wie "Uncharted 2", "Minecraft" oder "Red Dead Redemption" einen Großteil der Preise allein nach Hause, so wurden sie in diesem Jahr brüderlich geteilt. So gab es beim IGF niemanden, der zwei oder mehr Preise einheimste: Die Studenten von der Carnegie Mellon Hall wurden für ihr Gestenspiel Way ausgezeichnet, den Preis für technische Exzellenz erhielt das futuristisch anmutende Labyrinth-Spiel Antichamber von Demruth, zum besten Spieldesign wählten die Indie-Entwickler Spelunky von Mossmouth.

Das erst vor drei Wochen für iOS erschienene (und bereits als iPad-Spiel der Woche prämierte) "Beat Sneak Bandit" von Simogo wurde zum besten mobilen Indie-Spiel gekürt, noch vor dem aktuellen "iPad Spiel der Woche" Waking Mars von Tiger Style. Für seine visuelle Kunst prämierten die Juroren das Adventure Dear Esther, das das britische Studio thechineseroom vor einigen Wochen auf Steam veröffentlichte, beim Sound musste es sich knapp dem Pflanzenspiel Botanicula von Amanita Design geschlagen geben. Den Nuovo Award für besonders innovative Spielideen gewann auf dem IGF das Spiel Storyteller von Daniel Bemmergui und den Seumas-McNally-Hauptpreis das Spiel Fez, das Polytron nach fünf Jahren Entwicklungszeit endlich fertiggestellt haben.

Doch Indie-Spiele waren nicht nur auf dem IGF, sondern auch auf der folgenden Hauptveranstaltung, der Game Developers Choice Awards, vertreten und konnten sich gegen einige namhafte Big-Budget-Titel der großen Publisher durchsetzen. So wurde das skurrile Retro-Adventure Superbrothers: Sword & Sworcery, das in einer Kooperation von Superbrothers, dem Musiker Jim Guthrie und Capy Games für das iPad und iPhone entstand, zum besten mobilen Spiel gekürt und stach damit Mega-Seller wie Super Mario 3D Land aus.

Nathan Vella von Capy hatte zuvor auf seinem Vortrag auf der GDC die widrigen Umstände erklärt, unter denen Sword & Sworcery fertiggestellt wurde. Ursprünglich sollte die Entwicklung nach sieben bis acht Monaten fertig sein und das Spiel nur 110.000 US-Dollar in der Entwicklung kosten. Doch als das ursprüngliche Budget aufgebraucht war und die Entwickler feststellten, dass sie länger brauchten, nahmen sie sich noch einmal mehr Zeit, um dem Spiel den letzten Schliff zu verpassen. Letztlich wurde Sword & Sworcery erst nach anderthalb Jahren fertig und verschlang 200.000 US-Dollar Entwicklungskosten. Es ist ein sperriges Spiel, das auf ein spezielles Publikum zugeschnitten ist. Doch Vella betonte, dass man im App-Store mit seinem Spiel nur überleben kann, wenn man aus der Masse der Neuveröffentlichungen herausragt, und nicht wie all die anderen versucht, einen Massenhit wie Angry Birds zu produzieren. "Sworcery zielt nur auf 10 Prozent der iPad-Spieler, nimmt diese aber 100 Prozent für sich ein", sagte Vella stolz. Es lohne sich sehr wohl, für solche Nischen zu produzieren und einem Spiel Zeit zu geben, damit es wirklich gut wird.

Weil Johann Sebastian Joust eigentlich gar keine Grafik braucht, lieh der Grafiker Nils Deneken dem Spiel noch seine Ansagerstimme.

Von einer Veröffentlichung ist der Preisträger des Innovationspreises der Game Developer Choice Awards noch entfernt. Zur Überraschung des Publikums gewann das dänische Entwicklerkollektiv Die Gute Fabrik den Preis mit ihrem "Folk-Game" Johann Sebastian Joust und stach Konkurrenten wie Portal 2, L.A. Noire, Skylanders und Bastion aus. Joust wurde bislang nicht veröffentlicht, sondern nur auf Festivals vorgeführt. Bei dem Spiel tanzen drei bis sieben Personen mit einer Move-Fernbedienung zu einer Musik, die von der Software mal langsam, mal schnell gespielt wird. Je nach Tempo können sie ihre Move-Fernbedienung heftiger bewegen, ohne dass sich deren Farbe ändert und sie ausscheiden. Ziel ist es, die übrigen Spieler so zu irritieren, dass sie mit ihrer Fernbedienung stärker wackeln und aus dem Spiel ausscheiden – wenn man so will eine digital verstärkte Variante des Stopptanzes.

Mit entwickelt hat das Spiel der Deutsche Nils Deneken, der seit ein paar Jahren in Kopenhagen lebt und arbeitet. Im Interview mit heise online erklärte er, dass Joust wie zuvor B.U.T.T.O.N. zum neuen Genre der Folk-Spiele gehört, das Die Gute Fabrik mit aus der Taufe gehoben hat. Die Spieler sitzen bei diesen Spielen nicht statisch vor einem Bildschirm, sondern bewegen sich im Raum, tanzen, rempeln sich an, umklammern einander, um Mitspieler am Sieg zu hindern und selbst zu gewinnen. Sie setzen auf Körpereinsatz wie ihn Videospiele zuvor nicht gekannt haben, und können am besten in Gruppen gespielt werden. Doch obwohl Joust Sonys Move-Fernbedienungen einsetzt, läuft es nicht auf einer PS3, sondern auf einem Mac-Rechner, an den die Fernbedienungen per Bluetooth ihre Signale an das vom Kopenhagener Game Collektive entwickelte Plug-in Unimove senden. "Wir stehen derzeit mit Sony in Verhandlung, ob das Spiel für die PS3 umgesetzt werden soll", erklärte Deneken.

Kontakt zu Sony hat Die Gute Fabrik bereits mit "Where is my Heart?" aufgenommen, das im Rahmen der Minis-Serie veröffentlicht wurde und als deren Vorzeigespiel gilt. Viel Geld hat Die Gute Fabrik bislang jedoch noch nicht mit ihren kreativen Ideen sammeln können. Deneken hofft, mit Valve und dem Humble Bundle ins Geschäft zu kommen, diese seien derzeit die lukrativsten Vertriebsplattformen für Independent-Entwickler. Die Auszeichnung auf den Game Developer Choice Awards dürfte ihm und seinen Kollegen nun einige Türen öffnen.

Wie weit man es mit kreativen ideen bringen kann, zeigte im vergangenen Jahr Valve mit Portal 2. Ungewöhnlich für ein Puzzle-Spiel, sammelte es bei den Game Developers Choice Awards neben den Preisen für den besten Ton und das beste Spieldesign auch die Auszeichnung für die beste Erzählung, noch vor dem Rollenspielhit "The Witcher 2" und Bastion, das zum besten Downloadspiel gewählt und seinen Entwicklern von Supergiant Games den Preis für das beste Debüt einbrachte. Während die Auszeichnung für die beste Technik erwartungsgemäß Battlefield 3 zugesprochen wurde, fiel die Wahl für die künstlerisch beste Grafik auf "Uncharted 3". Schließlich musste der Rollenspielhit "The Elder Scrolls V: Skyrim" bis ganz zum Schluss warten, um doch noch zum "Spiel des Jahres" gekürt zu werden. Man hatte es kaum noch erwartet, war es doch zuvor bei den Nominierungen für das beste Spieldesign, die beste Grafik, Technik und den besten Ton leer ausgegangen. (hag)