GEMA fürchtet Enteignung der Autoren

Die Musik-Verwertungsgesellschaft konnte zwar auch 2005 ihre Gesamterträge wieder steigern, warnt aber vor Ungemach durch die laufende Urheberrechtsreform, durch Brüssel und zahlungsunwillige Webhändler.

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Die GEMA konnte zwar auch 2005 ihre Gesamterträge wieder steigern, warnt aber vor Ungemach für Künstler durch die laufende Urheberrechtsreform, den Brüsseler Wettbewerbskurs und zahlungsunwillige Webhändler. In die Kassen der Musik-Verwertungsgesellschaft flossen im vergangenen Jahr insgesamt 852 Millionen Euro und damit 5,2 Prozent mehr als 2004. An Autoren, Musiker und Produzenten schüttete die GEMA davon knapp 732 Millionen Euro wieder aus. "Die Zahlen machen uns glücklich", freute sich Vorstandssprecher Jürgen Becker bei der Vorstellung des Jahresergebnisses am heutigen Montag in Berlin. Sein Haus habe erneut mit "Verlässlichkeit und Akribie" die Interessen der Musikautoren vertreten. Mit großer Sorge erfüllt den Juristen aber, dass das gesamte Umfeld "nicht sehr urheberfreundlich" sei.

Kummer bereitet der GEMA vor allem der Zukunftsmarkt Online-Lizenzierung. Immer wieder betonte Becker, dass die neuen Technologien zwar einerseits "massenhafte Nutzungen rund um die Uhr" ermöglichen. Andererseits könne man die bisher gezahlten Vergütungen in diesem Wachstumssektor nur als "Tropfen auf den heißen Stein" begreifen. So hat die GEMA 2005 einen nur "bescheidenen" und "in höchstem Maße unbefriedigenden" Ertrag in Höhe von 1,4 Millionen Euro im Bereich "Online on Demand" und Websites sowie 4,1 Millionen Euro bei Klingeltönen erzielen können. Der Vorstandssprecher beklagte eine "Blockade durch die Anbieter von Musik im Netz, die phonographische Wirtschaft und die Content-Provider".

Ursache ist ein Rechtsstreit um die Höhe der von den Inhalteanbietern zu zahlenden GEMA-Tarife. Die Verwertungsgesellschaft will 12 Prozent vom Endverbraucherpreis, was der anderen Seite als zu hoch erscheint. Nun ist die Auseinandersetzung vor dem Schiedsgericht beim Deutschen Patentamt anhängig. Mit einer ersten Entscheidung zu Klingeltönen rechnet Becker zum Sommerende. "Die ganze Welt schaut darauf", dramatisierte er den erwarteten Schiedsspruch, der Maßstäbe für Urheberzahlungen im Online-Bereich setzen soll. Schon jetzt würden hierzulande zweistellige Millionenbeträge ausstehen.

Erstes Geld erhält die GEMA dagegen von rund 500 lizenzierten Webradios. Sie konnte die Umsätze hier von 175.000 Euro im Jahr 2004 auf 229.000 Euro im vergangenen Jahr erhöhen. Der mit den Internetdudlern einhergehende "Wahnsinnsverbrauch an Musik" spiegele sich nicht in diesen Zahlen wider, konstatierte Becker. Zumal die Webfunker eine "Quelle ungeheurer privater Vervielfältigung" darstellen und spartenorientierte Repertoires anbieten würden, die man früher nur auf Tonträgern käuflich erwerben konnte. Noch handle es sich aber meist um "Hobby-Caster", die keine Werbeumsätze erzielen und daher nur mit einer Mindestvergütung belegt würden. In diesem Zusammenhang kündigte die GEMA das von April an geltende Angebot einer neuen Lizenz für Webradios an, um den Markt weiter zu durchdringen. Es gilt für Sender mit bis zu neun Kanälen und monatlichen Einnahmen bis zu 430 Euro, wobei personalisierte Streams oder Zugriffe auf einzelne Songs ausgeschlossen werden müssen. Dafür sind 34,80 Euro im Monat zu berappen.

Großes Ungemach droht den Urhebern nach Ansicht der GEMA von der ins parlamentarische Verfahren gehenden 2. Stufe der Urheberrechtsreform. Hier will die Verwertungsgesellschaft gegen die von der Bundesregierung geplante Regelung Sturm laufen, wonach die Summe der Vergütungen pro Gerätetyp fünf Prozent des Verkaufspreises nicht mehr überschreiten dürfte. Die Folgen rechnete Becker am Beispiel der Abgaben für DVD-Brenner vor. Hier habe 2005 ein Ertrag von 45,6 Millionen Euro erzielt werden können. Diese Summe würde bei gleichen Verkaufszahlen und -preisen halbiert werden. Becker sprach daher von einer anstehenden "Enteignung der Autoren". Die Novelle gehe "an die Grundfesten des geistigen Eigentums", die durch die Verfassung garantiert seien. Sollten die Urheberrechte weiter so "verdampft" werden, halte sich die GEMA die Option einer Klage in Karlsruhe offen. Gleichzeitig erinnerte er den Gesetzgeber daran, dass ein Regierungsbericht schon 2000 eine Anhebung der Vergütungen empfohlen habe. Faktisch hätten die Autoren seit Festsetzung der geltenden Abgabensätze im Jahr 1985 "einen Lohnstillstand zu verzeichnen".

Weiter beklagte Becker, dass auch die EU-Kommission in Brüssel "sehr wenig vom geistigen Eigentum hält". Konkret bemängelte er die Empfehlung zur Erteilung EU-weiter Lizenzen durch die Verwertungsgesellschaften im Bereich Online-Musik. Trotz der entsprechenden öffentlichen Ankündigungen zeigte sich Becker über einen Brief der Generaldirektion Wettbewerb an den weltweiten Dachverband der Verwertungsgesellschaften, die CISAC, überrascht. Darin würden unter anderem die Bedingungen zum Abschluss von Berechtigungsverträgen zwischen der GEMA und Wahrnehmungsberechtigten mit Staatsangehörigkeit von EU-Staaten sowie Gegenseitigkeitsverträge der Verwertungsgesellschaften kritisiert.

In dieser Frage will die GEMA laut Becker ebenfalls "bis zu den letzten Instanzen gegen einen Wettbewerb kämpfen, bei dem die Autoren und die kleineren Verwertungsgesellschaften auf der Strecke bleiben." Territoriale Beschränkungen der Verwertungsrechte machen seiner Ansicht nach auch in einer Welt des Internet und Satellitenfernsehen Sinn. Geistiges Eigentum sei "nicht mit Autoreifen, Schmiermitteln und Zement zu vergleichen" und dürfe nicht verramscht werden. "Wir fühlen uns auf sicherem Terrain", erklärte Becker und verwies auf geltende internationale Verträge wie die revidierte Berner Übereinkunft zum Urheberrechtsschutz.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)