Verletzliche Unterseekabel: Neuer Arbeitskreis soll helfen
Sabotage, Rücksichtslosigkeit und Naturereignisse beschädigen Unterseekabel. Reparaturen sind so teuer wie guter Rat.
"Unterseekabel transportieren 99 Prozent des internationalen Datenaustausches", berichtet Doreen Bogdan-Martin, Generalsekretärin der International Telecommunication Union (ITU). Doch fast täglich fällt irgendwo ein solches Kabel aus; 2023 wurden mehr als 200 Unterbrechungen bekannt. Reparaturen sind teuer und können dauern. Um Vorbeugung zu verbessern, hat die ITU nun gemeinsam mit dem Branchenverband International Cable Protection Committee (ICPC) einen Arbeitskreis gegründet.
Das neue Gremium heißt International Advisory Body for Submarine Cable Resilience und soll sowohl Informationen über Vorgehensweisen sammeln und bereitstellen, die sich in der Praxis bewährt haben. Diese Best Practices sollen Regierungen wie Unternehmen dabei helfen, das Risiko von Beschädigungen zu senken, Kabel schneller zu verlegen und zu reparieren, und generell Kommunikationsunterbrechungen hintanzuhalten.
Beredtes Schweigen zu Sabotage
Auf seiner Webpage betont der Arbeitskreis die Bedeutung der Unterseekabel und erwähnt Naturkatastrophen, Alterung und unbeabsichtigte Beschädigung durch menschliche Aktivitäten wie Fischfang und Ankerungen als Bedrohungsfaktoren. Mit keiner Silbe wird die unappetitlichste Zerstörung erwähnt: Sabotage. Dabei ließe sich diese theoretisch am leichtesten vermeiden, indem man sie unterlässt.
In Europa hat jüngst die Beschädigung zweier Datenkabel in der Ostsee Schlagzeilen gemacht, die Teil der russischen Sabotagekampagne gegen den Westen sein dürfte. Die Betreiber konnten schnelle Reparatur organisieren und sich das auch leisten. In anderen Weltregionen sind solche Angriffe alltäglich. Die beiden Unterseekabeln der taiwanischen Matsu-Inseln sind von 2017 bis 2023 gleich 30 Mal durchtrennt worden, wie The Diplomat im Frühjahr 2023 berichtet hat.
Damals kamen die 13.000 Bewohner nach 50 Tagen Internetdiät endlich wieder online – sie hatten sich eine 2,2-Gigabit-Richtfunkleitung teilen müssen, was das Öffnen von Webseiten oder jegliche Streams unmöglich machte. Inzwischen wurde die Richtfunkleitung vervierfacht und Taiwan errichtet im gesamten Land 700 Satellitenbodenstation als Backup für seine Unterseekabel.
Im September hat Singapur hat zwei U-Boote des deutschen Herstellers ThyssenKrupp in Betrieb genommen. Ihr Auftrag ist der Schutz von Unterseekabeln. Die U-Boote werden von Brennstoffzellen angetrieben, was leiser ist als Dieselaggregate und lange Einsatzzeiten unter Wasser ermöglicht.
Reparatur teuer und langsam oder sehr teuer
Sabotage von Unterseekabeln ist deswegen so effektiv, weil die globalen Reparaturkapazitäten bescheiden sind. Laut dem International Institute for Strategic Studies gibt es zwar 77 Kabelverlegeschiffe weltweit, davon sind aber nur 20 auf Reparaturen spezialisiert. Und sie sind demnach durchschnittlich 28 Jahre alt, nähern sich also häufig dem Ende ihrer Lebenserwartung.
Die durchschnittliche Reparaturdauer wird unterdessen immer länger. 2022 schnellte sie auf fast 80 Tage, unter anderem als Folge des enormen Vulkanausbruchs im Meer vor Tonga. Doch auch im langfristigen Trend dauer die Wiederherstellung immer länger, der Durchschnittswert nähert sich 50 Tagen an, wie aus dem jüngsten Submarine Telecoms Industry Report hervorgeht. Das Schicksal der Taiwanesen auf den Matsu-Inseln ist also kein statistischer Ausreißer.
Dieser Trend hat mehrere Gründe. Einerseits gibt es viel mehr Unterseekabel als vor 20 Jahren, aber nicht entsprechend mehr Unterseekabelschiffe. Andererseits sind die Arbeiten technisch schwieriger geworden. Hinzu kommen geopolitische Probleme mit dem Zugang zu den beschädigten Kabeln. Die Branche klagt über bürokratische Hürden und, derzeit speziell im Nahen Osten, über mangelnde Sicherheit.
"Sollte es keine signifikanten Investitionen in die Kabelschiffsflotte geben oder bestimmte Regionen ihre Reparaturprotokolle vereinfachen, könnte sich der Trend (zunehmender Reparaturdauern) fortsetzen", warnt der Submarine Telecoms Industry Report 2024/2025.
Zwar versuchen viele Unterseekabelbetreiber ihren Ressourcen regional zu bündeln und durch gemeinsames Vorgehen die Kosten zu senken, dennoch fällt für die Reparatur eines beschädigten Kabels ein mindestens sechsstelliger Betrag an. Gibt es mehrere Schäden gleichzeitig, kann es zu einem Wettbieten um Reparaturschiffe kommen, wo kleinere Netzbetreiber, die kleine Inselmärkte versorgen, oft nicht mithalten können.
New Yorker Erklärung: Ausstieg aus chinesischer Technik
Am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben die USA im September das New York Joint Statement on the Security and Resilience of Undersea Cables in a Globally Digitalized World aufgelegt. Ziel ist internationale Zusammenarbeit von Partnern, die einander vertrauen (also ohne Volksrepublik China und Russische Föderation), für Sicherheit, Zuverlässigkeit, Interoperabilität, Nachhaltigkeit und Resilienz des Ausbaus, der Reparatur und der Erhaltung von Unterseekabelinfrastruktur.
Unterzeichnet haben neben den USA die Europäische Union, Australien, Japan, Kanada, die Marshallinseln, Mikronesien, Neuseeland, Südkorea, Tonga, Tuvalu, das vereinigte Königreich sowie einige EU-Staaten individuell. Die Staaten wollen nur noch "zuverlässige und vertrauenswürdige Kabelkomponenten und -dienste" zulassen, also keine Technik chinesischer Provenienz. Zudem sollen Serviceanbieter und Netzbetreiber "transparente Eigentumsverhältnisse, Partnerschaften und Corporate-Governance-Strukturen" aufweisen.
Die ITU ist die älteste Teilorganisation der Vereinten Nationen (UNO) und hat ihren Sitz in Genf. Erste Vorsitzende des neuen International Advisory Body for Submarine Cable Resilience sind der nigerianische Kommunikationsminister Bosun Tijani und die Portugiesin Sandra Maximiano, Vorsitzende der Regulierungsbehörde ihres Landes. Die 40 weiteren Mitglieder kommen aus allen sechs ITU-Weltregionen und vertreten Unterseekabelbetreiber, Telecom-Netzbetreiber, Regierungen, Regulierungsbehörden, Branchenverbände, Google, Meta, die Weltbank und den Thinktank Carnegie Endowment for International Peace. Der Arbeitskreis soll mindestens zweimal im Jahr zusammentreten; den Auftakt macht ein virtuelles Treffen im laufenden Monat, im Februar folgt eine Zusammenkunft in Abuja.
(ds)