Gefahr im Verzug: Zehntausende PCs in Berliner Ă„mtern arbeiten mit Windows XP
Mit einer Umstellungsstrategie bis 2015 "öffnet die Berliner Verwaltung ein Scheunentor für Cybercrime", kritisieren die Grünen die Berliner Verwaltung. 66 Prozent der PCs im Verwaltungseinsatz laufen noch mit Windows XP.
Der Chef der Berliner Senatskanzlei, Björn Böhning, hat eingeräumt, dass zwei Drittel der IT-Arbeitsplätze der Behörden der Hauptstadt noch mit dem 2001 eingeführten Microsoft-System Windows XP arbeiten. Die Oppositionsfraktion hatte den SPD-Politiker am Montag im Ausschuss für Digitale Verwaltung des Berliner Abgeordnetenhauses nach dem Stand der Betriebssystem-Migration befragt. Böhning erklärte daraufhin, dass rund 66 Prozent der PCs im Verwaltungseinsatz noch unter Windows XP laufen, für das Microsoft am 8. April den Support unweigerlich einstellt. Sicherheitsupdates stellen die Redmonder danach für dieses System nicht mehr zur Verfügung, nur ein Virenschutzprogramm wird für einen Übergangszeitraum noch aktualisiert.
Laut einer IT-Bestandsübersicht vom Sommer 2012 sind beim Berliner Senat, in den Ämtern der Bezirke sowie den nachgeordneten Landesbehörden, die alle zum Verwaltungsbereich der Hauptstadt zählen, rund 72.700 Arbeitsplatzrechner vorhanden. Knapp 48.000 PCs können demnach von April an bei vorhandenem Internetzugang als mehr oder weniger schutzlos im Netz gelten, wenn die Migration nicht rasant beschleunigt wird.
Schutzlos
Mit einer Umstellungsstrategie bis 2015 "öffnet die Berliner Verwaltung ein Scheunentor für Cybercrime", kommentiert der Sprecher für Verwaltungsreform der Grünen, Thomas Birk, die jetzt gelieferten Zahlen. Schon die in derselben Sitzung verkündete Nachricht, dass vier Benutzerkonten von Hauptstadtbehörden im Zuge des vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) jüngst publik gemachten millionenfachen Datensatzdiebstahls gehackt worden seien, ließen in dieser Hinsicht nichts Gutes ahnen.
Die Hauptverwaltung wisse bereits seit 2002, dass das diesjährige Supportende für Windows XP ansteht, moniert Birk unter Berufung auf Böhning weiter. Er erwarte daher vom Senat, dass er die laufende Umrüstung deutlich rascher vorantreibe. Mit Spannung warten die Grünen zudem auf die Äußerungen der rot-schwarzen Koalition in der aktuellen Stunde zum Thema "Wie schützt sich Berlin vor Cybercrime" in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses am Donnerstag.
Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit
Die Grünen drängen eigentlich seit Jahren vergeblich darauf, eine IT-Strategie für Berlin auf Basis freier Software zu entwickeln, um sich strategisch von marktbeherrschenden, proprietären Anbietern unabhängig zu machen. 2008 schwächte die damalige rot-rote Koalition einen zunächst getroffenen Beschluss zur Linux-Umstellung im Nachhinein ab.
Die Verwaltung soll seitdem allein "unter der Maßgabe der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit" auf offene Standards setzen. Zuletzt scheiterte die Oppositionsfraktion im Juni mit einem Antrag, mit dem sie vom Senat einen Maßnahmenkatalog für den Einsatz von mehr Open-Source-Software in den Behörden der Hauptstadt einfordern wollte. (jk)