Gemalto hat Appetit auf Bundesdruckerei

Der niederländische Chipkartenkonzern, auch bei elektronischen Pässen aktiv, benötigt mehr Kapazitäten, um weitere Aufträge für die elektronische Gesundheitskarte an Land ziehen zu können.

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Von
  • Detlef Borchers

Der aus der Fusion von Axalto und Gemplus entstandene niederländische Chipkartenkonzern Gemalto hat nach eigenen Angaben die Folgen der Fusion überstanden und will weiter expandieren. In einem Interview (e-Paper) mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärte der Vorstandvorsitzende Olivier Piou: "Wir würden gerne die Bundesdruckerei kaufen. Die würde sehr gut zu uns passen."

Das Interesse von Gemalto an der profitabel arbeitenden Bundesdruckerei ist in der anlaufenden Produktion der elektronischen Gesundheitskarte begründet. Hier hat Gemalto den Zuschlag der AOK, die Gesundheitskarte für 30 Millionen Versicherte zu produzieren. Damit sei das deutsche Werk in Filderstadt ausgelastet, erklärte der Piou im Interview. Gemalto könne daher derzeit bei anderen Krankenkassen nicht mitbieten, weil die Kapazität fehle. Ein Kauf der Bundesdruckerei sei eine Lösung des Problems. Gemalto, das als Hersteller der US-amerikanischen Reisepässe auch in der Produktion sicherer ID-Papiere vertreten ist, sei kein Finanzinvestor wie Apax Partner, mit dem die Bundesdruckerei Schiffbruch erlitten habe, betonte Piou. "Wir leben von unserer Zuverlässigkeit."

Als schärfster Wettbewerber von Gemalto hat die Münchener Firma Giesecke & Devrient ebenfalls ihr Interesse gezeigt, die Bundesdruckerei zu erwerben. Bei der Produktion der elektronischen Gesundheitskarte für die AOK arbeiten Gemalto und Giesecke & Devrient zusammen: Während Gemalto die Karten produziert, kommt das Kartenmanagement-System von Giesecke & Devrient. Der Auftrag soll ein Volumen von weit über 50 Millionen Euro haben.

Im Interview mit der FAZ gab Gemalto-Chef Piou zu, dass seine Firma in gewisser Weise von der Angst vor dem Terror profitiere. Er relativierte diese Aussage jedoch umgehend: "Ich halte es für falsch, die Chips nur in Verbindung mit Überwachung oder Zwängen zu sehen. Sie erhöhen doch vor allem unsere Freiheit, Sicherheit und Bequemlichkeit! Die elektronische Abfertigung an den Grenzen und Flughäfen ist viel genauer und schneller. Das Gleiche gilt für die Gesundheitskarte: Sie spart Zeit und Geld der Versicherten und kann wichtige Angaben zur Blutgruppe oder zu Allergien speichern. Im Notfall kann sie über Leben oder Tod entscheiden." Dass die Angabe der Blutgruppe bereits seit einem Jahr aus dem Notfalldatensatz gestrichen ist (weil im Notfall mit Blutplasma behandelt wird), ließ Piou unerwähnt. (Detlef Borchers) / (jk)