Gericht: Regeln für 6,55 Milliarden schwere 5G-Frequenzauktion sind rechtswidrig

Das Verkehrsministerium hat bei der 5G-Versteigerung 2019 mit Netzbetreibern gekungelt, hat ein Gericht entschieden. Der Regulierer muss den Fall neu aufrollen.

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Detail eines Mobilfunk-Antennenmastes mit kleinen 5G-Funkzellen.

(Bild: Lisic/Shutterstock.com)

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Großer juristischer Erfolg für die Telekommunikationsfirmen EWE TEL und Freenet: Die Regeln der Bundesnetzagentur für die Mobilfunk-Frequenzauktion 2019 waren rechtswidrig, entschied das Verwaltungsgericht Köln am Montag. Die Regulierungsbehörde muss nun neu über die Auflagen für die Lizenznehmer entscheiden und neue Bescheide für das Verfahren ausstellen (Aktenzeichen: 1 K 1281/22 und 1 K 8531/18).

Die Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica Deutschland und Newcomer 1&1 blätterten bei der Mitte 2019 beendeten Auktion der 5G-Frequenzen insgesamt 6,55 Milliarden Euro hin. Dabei wurden Nutzungsrechte für Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz versteigert, die für den 5G-Mobilfunk besonders geeignet sind.

EWE TEL und Freenet bieten eigene Mobilfunktarife auf Basis von Vorleistungen der Mobilfunknetzbetreiber an. Sie klagten gegen die Vergabebedingungen des Regulierers, von denen sie sich benachteiligt sehen. Diese enthalten neben konkreten Versorgungsauflagen für Haushalte und Verkehrswege auch eine "Diensteanbieterregelung". Sie sieht vor, dass die Netzbetreiber mit Diensteanbietern ohne eigene Netzinfrastruktur über die Mitnutzung von Funkkapazitäten verhandeln müssen.

Dieses Verhandlungsgebot halten EWE und Freenet für unzureichend, weshalb sie eine weitergehende Diensteanbieterverpflichtung fordern. Damit müssten die Telekom & Co. einen Teil ihrer Kapazitäten an Wettbewerber vermieten, die keine eigene Infrastruktur haben – und nicht nur verhandeln.

EWE und Freenet begründeten ihre Klagen mit schwerwiegenden Fehlern der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur. Das Verfahren sei insbesondere durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Leitung des damaligen Ressortchefs Andreas Scheuer (CSU) in rechtswidriger Weise beeinflusst worden. Das ergebe sich aus den Verwaltungsvorgängen des BMVI, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Kanzleramts, die man auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes erhalten habe.

Das VG Köln hatte die Klage von EWE 2019 zunächst als unzulässig abgewiesen. 2021 hob das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung aber teilweise auf und verwies sie zur erneuten Entscheidung an die Kölner Kollegen zurück. Die sollten unter anderem aufklären, ob es "Besorgnis der Befangenheit" gibt und ob die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur gewahrt wurde.

Nach einer Anfang Juni 2024 durchgeführten Vernehmung damaliger Mitglieder der Präsidentenkammer fällte das VG Köln nun sein weitreichendes Urteil und hob deren Entscheidung von 2018 auf – eine Premiere. Das Gericht zeigt sich dabei überzeugt, "dass die Präsidentenkammer dem massiven Druck vonseiten des BMVI zumindest teilweise nachgegeben hat".

Das Ministerium "versuchte während des gesamten Vergabeverfahrens im Jahr 2018 in erheblicher Weise, auf die Entscheidungen der Präsidentenkammer Einfluss zu nehmen", so das VG Köln nun. So habe es sich etwa für strengere Versorgungsauflagen eingesetzt, nicht jedoch für eine Diensteanbieterverpflichtung.

Zudem seien diverse nicht koschere Absprachen rund um den Mobilfunkgipfel 2018 erfolgt, rügen die Kölner Richter. Einen Verstoß sehen sie auch darin, "dass die Bundesnetzagentur ihre Unabhängigkeit nicht ausreichend aktiv geschützt hat, indem sie die ministeriellen Einflussnahmeversuche weder auf Ebene der Ministertreffen noch auf Facharbeitsebene unterbunden hat."

Norbert Westfal, Sprecher der Geschäftsführung von EWE TEL, begrüßte die Entscheidung. "Diese stärkt nicht nur eine unabhängige Bundesnetzagentur, sondern vor allem den Wettbewerb im Mobilfunkmarkt." Der Regulierer müsse seine Entscheidung zur Diensteanbieterverpflichtung "kritisch prüfen". Nun bestehe die Chance, die massiven Wettbewerbsprobleme im Rahmen einer neuen Vergabeentscheidung angemessen zu berücksichtigen.

Zu der Frage, ob die Auktion insgesamt wiederholt werden müsste, wollte sich ein Sprecher von EWE gegenüber heise online zunächst nicht äußern. Der Ball liege bei der Bundesnetzagentur. Eine Revision hat das VG Köln nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung können die Beteiligten aber eine Beschwerde einreichen. Über diese würde – sofern die Kölner Richter ihr nicht selbst nachkommen – das Bundesverwaltungsgericht befinden.

Die Bundesnetzagentur will die genauen Auswirkungen des Urteils prüfen, wenn die schriftliche Begründung vorliegt. Dann werde es auch um die Revisionsfrage gehen. Im Kontext der Frequenzversteigerung ist noch ein weiteres Verfahren eines Mobilfunknetzbetreibers anhängig. Insgesamt gab es 16 Klagen, von denen erwartungsgemäß fast alle abgeschmettert wurden.

(vbr)