Gericht lehnt Verfügungsantrag der Gema gegen Youtube ab [Update]

Das Landgericht Hamburg hat eine Verfügungsantrag gegen Youtube mangels Dringlichkeit abgewiesen, mit denen Verwertungsgesellschaften um die Gema die Sperrung von zahlreichen Musikvideos erreichen wollte. Die Streitfrage bleibt unterdessen offen.

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Der Streit ist so alt wie es Videos im Netz gibt: Nutzer laden ihre Filmchen und Videoschnipsel auf Portale wie Youtube und kümmern sich dabei wenig um die Rechteklärung. Wenn sie dafür Filmausschnitte oder Musik benutzen, gibt es in der Regel einen Urheber, der die Nutzung seines Werkes vergütet haben will. Für die Vergütung sorgen unter anderem Verwertungsgesellschaften wie die Gema, die über diese Rechtsfrage mit Youtube seit Monaten im Clinch liegen. Am Freitag nun entschied das Hamburger Landgericht über eine Einstweilige Verfügung gegen das Videoportal.

Das Gericht hat den Antrag der Gema "mangels Eilbedürftigkeit" zurückgewiesen (Az. 310 O 197/10). Die "Antragstellerinnen hätten die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung nicht hinreichend glaubhaft gemacht", begründete die Kammer laut Mitteilung ihre Entscheidung. Das Gericht halte es für wenig wahrscheinlich, "dass die Antragstellerinnen erst wenige Wochen vor dem Einreichen des Antrags [...] von den konkreten Rechtsverletzungen erfahren haben. Dass Musikkompositionen im Dienst 'You Tube' genutzt werden, war den Antragstellerinnen lange bekannt."

In der Sache selbst traf die Kammer daher keine Entscheidung. Doch macht das Gericht schon eine Tendenz deutlich: Es spreche viel dafür, heißt es in der Mitteilung, dass der Gema "prinzipiell ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch [...] zusteht". Für die endgültige Klärung verwies die Kammer auf das sich eventuell anschließende Hauptsacheverfahren, "sofern es den Beteiligten nicht gelingt, sich außergerichtlich zu einigen". Das darf als Fingerzeig gewertet werden, dass die Parteien an den Verhandlungstisch zurückkehren sollten.

Youtube und Gema waren bei ihren Verhandlungen zur Erneuerung eines im März 2009 abgelaufenen Lizenzabkommens auf keinen grünen Zweig gekommen. Nach monatelangen Gesprächen hatte die Gema die Verhandlungen im Mai für gescheitert erklärt und war vor Gericht gezogen, um im Bunde mit anderen europäischen Verwertungsgesellschaften eine einstweilige Verfügung gegen Youtube zu erwirken. Die zielte darauf ab, insgesamt 600 Videos mit Musik, die zum Repertoire der Verwertungsgesellschaften gehört, sperren oder löschen zu lassen. Das Gericht hatte sich in der mündlichen Verhandlung Ende Juli vier Wochen Bedenkzeit ausgebeten, um die komplexe Sachlage angemessen würdigen zu können.

Die Verhandlungen zwischen Gema und Youtube waren nicht zuletzt daran gescheitert, dass sich zwei völlig unterschiedliche Systeme gegenüberstehen. Die Gema besteht als Verwertungsgesellschaft alter Schule gewohnheitsmäßig auf eine Vergütung pro Aufführung – wie es bei im Radio oder auf öffentlichen Veranstaltungen gespielter Musik üblich ist. Auf dem Tisch lag zuletzt ein Angebot von 1 Eurocent pro abgerufenem Stream.

Das ist Youtube noch zu viel – bei Abrufzahlen, die für einzelne Videos auch schon mal in die Millionen gehen, kommt auch bei Centbeträgen eine stattliche Summe zusammen. Das würde das Unternehmen über Gebühr belasten, heißt es bei Youtube. Das Videoportal schreibt immer noch rote Zahlen, will aber in diesem Jahr erstmals Geld verdienen. Der Google-Tochter schwebt ein Vergütungssystem vor, bei dem die Rechteinhaber an den mit ihren Inhalten erzielten Werbeeinnahmen beteiligt werden.

In dem Streit geht es darüber hinaus auch um die Grundsatzfrage, wie Plattformanbieter mit Urheberrechtsverletzungen auf ihren Servern umgehen sollen. Youtube reagiert auf Hinweis der Rechteinhaber und sperrt rechtswidrige Inhalte gegebenenfalls. Damit genüge das Videoportal seinen Pflichten als Plattformbetreiber, argumentiert Konzernmutter Google. Die Gema dagegen will Youtube und Konsorten darüber hinaus in die Pflicht genommen wissen, dass die Plattformbetreiber gegen weitere Rechtsverletzungen präventiv tätig werden müssen: Die Anbieter sollen verhindern, dass einmal gesperrte Titel erneut hochgeladen werden.

Von dem Urteil des LG Hamburg erhofften sich beide Seiten auch einen Fingerzeig in dieser Grundsatzfrage. Während man bei Youtube davon ausgegangen war, dass Gericht werde die bisherige Praxis als ausreichend anerkennen, hoffte die Gema auch, das Urteil werde neuen Schwung in die brachliegenden Verhandlungen über ein Lizenzabkommen bringen. Während das Gericht wegen fehlender Dringlichkeit keine Entscheidung in der Sache getroffen hat, dürfte die Gema zumindest die Einschätzung des Gerichts freuen, dass Youtube "zumutbare Prüfungspflichten bzw. Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Rechtsverletzungen nicht wahr- bzw. vorgenommen habe". Auch das müsse in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden - oder am Verhandlungstisch.

[Update: Die Gema bedauerte, dass das Gericht keine Dringlichkeit zu erkennen vermochte und den Antrag auf Einstweilige Verfügung abgewiesen hat. In der Sache sieht sich die Verwertungsgesellschaft allerdings bestätigt. Ob die Gema gegen das Urteil des Gerichts in Berufung geht oder eine Entscheidung in der Hauptsache anstrebt müsse in Absprache mit den anderen beteiligten Verwertungsgesellschaften erst noch entschieden werden, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Youtube-Mutter Google begrüßte das Urteil, hat den Hinweis des Gerichts aber offenbar verstanden. YouTube würde seine Erlöse mit Musik gerne mit den Rechteinhabern teilen, bekräftigte Google-Sprecher Kay Oberbeck und rief zu neuen Verhandlungen auf: "Eine Lösung hierfür kann unserer Meinung nach nur am Verhandlungstisch erfolgen. Wir laden die Gema daher ein, an diesen zurückzukehren."] (vbr)