Gericht stoppt biometrische Stempeluhr
Richter bewertet biometrische Systeme zur Zeiterfassung als Eingriff in die MenschenwĂĽrde.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) Österreichs hat in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil biometrische Zeiterfassungssysteme als Eingriff in die Menschenwürde bewertet. Die Systeme unterlägen deshalb der Mitbestimmungspflicht, so die Richter in dem Beschluss ObA 109/06d des OGH vom vergangenen Dezember.
In dem Verfahren hatte der Betriebsrat eines Krankenhauses einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, mit dem der Einbau eines Fingerscan-Systems zur Erfassung der Anwesenheitszeiten gestoppt werden sollte. Dem Antrag wurde in allen Instanzen statt gegeben. Hintergrund des Streits: Der Betriebsrat verlangte eine Betriebsvereinbarung über die Installation der Anlage, die Geschäftsführung lehnte dies ab.
Der OGH erklärte in seinem Urteil, dass durch "übliche" Zeiterfassungssysteme wie Stechuhren oder Magnetkarten die Menschenwürde nicht berührt sei, sofern nicht gleichzeitig Arbeits- und Bewegungsprofile der Mitarbeiter erstellt würden. Anders verhielte es sich mit biometrischen Systemen: "Auf Grund der beträchtlichen Eingriffs- und Kontrollintensität der Abnahme und Verwaltung von Fingerabdrücken und darauf beruhender Templates wird die Menschenwürde der Arbeitnehmer berührt," so die Richter des OGH.
Die gelte auch, obwohl keine biometrischen Rohdaten, sondern digitale Templates verwendet wurden, die sich nicht auf den Original-Fingerabdruck zurückführen ließen. Jeder Mensch habe "auch während der Zeit, in der er zur Arbeitsleistung in einem Arbeitsverhältnis verpflichtet ist, u.a. das Recht auf Unversehrtheit der Intimsphäre, auf Freiheit vor unbefugter Abbildung und auf Achtung seines Wertes als menschliches Wesen."
Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich Kontrollrechte habe, könne "auch die Kontrolle rein dienstlichen Verhaltens zustimmungspflichtig sein." Durch die "einseitige konsenslose Einführung und Anwendung eines Zeiterfassungssystems, das auf einem biometrischen Fingerscanning der Arbeitnehmer beruht", verletze der Beklagte die Mitwirkunsgrechte des Betriebsrates. Die Kontrolleinrichtung sei daher rechtswidrig und unzulässig. (uk)