Gericht weist Novartis-Beschwerde gegen indisches Patentgesetz zurück

Indische Richter haben eine Anfechtungsklage des Basler Pharmariesen gegen eine Passage des 2005 novellierten Patentrechts für den Subkontinent über die Definition neuer oder verbesserter Medikamente zurückgewiesen.

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Indische Richter haben eine Anfechtungsklage von Novartis gegen eine umstrittene Passage des 2005 novellierten Patentgesetzes für den Subkontinent über die Definition neuer oder verbesserter Medikamente zurückgewiesen. Der Basler Pharmariese bedauert die Entscheidung in einer Mitteilung als einen Schlag gegen das Konzept des geistigen Eigentums. Er befürchtet, dass damit langfristige negative Auswirkungen auf die Arzneimittelforschung verknüpft sein könnten. Hilfsorganisationen begrüßten die Entscheidung dagegen. Damit verknüpft sei eine große Erleichterung für Millionen von Patienten und Ärzten in Entwicklungsländern, die auf zahlbare Generika aus Indien etwa auch im Kampf gegen AIDS angewiesen seien, erklärte Tido von Schoen-Angerer von den Ärzten ohne Grenzen. Über 420.000 Personen hatten zuvor eine Petition an Novartis unterschrieben, in der sie eine Rücknahme der Klage forderten.

Auslöser des Rechtsstreits: Anders als viele weitere Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) hat Indien eine einzigartige Klausel im Paragraph 3 seines Patentgesetzes (PDF-Datei). Sie sieht vor, dass allein neue und wirksamere Medikamente patentrechtlich gewerblich geschützt werden können. Novartis ist der Ansicht, dass damit inkrementellen, also stufenweise erfolgenden Innovationen in der Pharmabranche der Patentschutz verwehrt wird, und verlangte gerichtlich eine Nachbesserung der Passage. Konkret ging es darum, dass das indische Patentamt Patentansprüche von Novartis auf das Blutkrebsmittel Glivec zurückgewiesen hatte. Generell erlaubt das indische Patentrecht den gewerblichen Rechtsschutz für Neuerfindungen nach 1995, dem Beitrittsjahr Indiens zur WTO.

Da mit dem Fall beschäftigte Gericht in der südindischen Stadt Chennai, dem früheren Madras, wollte der Argumentation des Pharmakonzerns aber nicht folgen. Es hat vielmehr die WTO selbst gebeten, die Vereinbarkeit der umstrittenen Klausel mit dem umstrittenen TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) zu prüfen.

Novartis will den Entscheid trotz aller Kritik voraussichtlich nicht anfechten, ließ der Chef von Novartis India, Ranjit Shahani, durchblicken. Er hob hervor, dass der Konzern mit der Klage in Indien bereits eine Grundsatzdebatte über die Ungereimtheiten des indischen Patentrechts ausgelöst habe. Nun wolle man erst das schriftlich begründete Urteil abwarten. Novartis-Forschungsleiter Paul Herring warnte allgemein vor negativne Auswirkungen auf die Patienten und die Volksgesundheit in Indien, sollte die Passage nicht von der WTO kassiert werden. Die Welthandelsorganisation habe die Regierung auf dem Subkontinent bereits im Mai gedrängt, das dortige, etwa auch Softwarepatente ausschließende System geistiger Eigentumsrechte zu "stärken". Eine effiziente Anwendung entsprechender Gesetze wäre auch "im Interesse Indiens selbst".

Noch kein Urteil gibt es im parallelen Rechtsstreit über die Patentierbarkeit von Glivec, auf den die nun abgewiesene Beschwerde zurückgeht. Dieser Fall werde separat von dem seit kurzem aktiven Intellectual Property Appellate Board entschieden, teilte Novartis mit. Der Konzern will mit der Klage erreichen, dass eine neue Glivec-Version geschützt wird. Ein Hauptbestandteil des Medikaments sei in 36 Ländern patenrechtlich geschützt. Dies soll aus Sicht des Basler Konzerns auch in Indien geschehen. Dort verkaufen heimische Firmen Glivec-Generika zu einem Zehntel des von Novartis verlangten Monatspreises in Höhe von 2600 US-Dollar. Der Pharmariese führt für sich ins Feld, dass in Indien 99 Prozent der Patienten das Blutskrebsmittel kostenlos im Rahmen seines internationalen Hilfsprogramms erhalten würden. Die Schweizer Börse reagierte derweil unbeeindruckt auf die Nachricht. Der Novartis-Aktienkurs stand am frühen Montagnachmittag mit 65,10 Franken um ein Prozent höher als vergangenen Freitagabend.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)