Gesetz gegen Hasskriminalität: Gefährliche Ideen aus der Offline-Welt – eine kritische Analyse

Seite 2: Gebt mir all eure Passwörter!

Inhaltsverzeichnis

Größte öffentliche Aufregung hat dabei der Passus verursacht, nachdem auch solche Daten herauszugeben sind, "mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird". Darunter versteht die Justizministerin und ihr Apparat die Herausgabe von Passwörtern. Geradezu mantraartig wiederholte die Ministerin dazu in einem denkwürdigen Interview, dass man aber nur ganz, ganz selten an solche Informationen wolle – und eigentlich auch nur zur Bekämpfung von Terrorismus.

Allerdings enthält ihr eigener Entwurf keine derartigen Einschränkungen, sodass im Extremfall auch eine Dorfbehörde oder der lokale Zoll hier Ansprüche geltend machen kann. Soweit Frau Lamprecht dabei immer wieder darauf hinweist, dass hierfür eine richterliche Entscheidung notwendig ist, so zeigt leider die Praxis, dass entsprechende Anfragen in den allermeisten Fällen regelrecht "durchgewinkt" werden.

Allerdings macht gerade diese Bestimmung bezüglich der Weitergabe von Passwörtern den Entwurf tatsächlich zu einem "Gesetzentwurf von Faxnutzern und Offlinern", wie dies Ulf Buermeyer im aktuellen Lage der Nation"-Podcast treffend formuliert. Denn natürlich wird kein Anbieter eines Online-Angebots mit klarem Verstand die von den Usern verwendeten Passwörter in Klartext speichern. Tut er dies, so droht spätestens seit der DSGVO ein erhebliches Bußgeld.

Gespeichert werden nur die Hashwerte dieser Passwörter, die dann bei der Eingabe durch den User abgeglichen werden. Bei Übereinstimmung gilt der Benutzer als authentifiziert. Das könnte man natürlich auch in einem Justizministerium mit 631 Mitarbeitern wissen. Trotzdem wird die Ministerin auch Tage nach Beginn der Diskussion nicht müde, mit wenig gepflegtem technischen Viertelwissen zu argumentieren. Hierbei stellt sich in der Tat die spannende Frage: Entsteht so ein Entwurf aus Unwissen oder Böswilligkeit? Beide Alternativen sind für die Regierung wenig schmeichelhaft.

Letztlich muss sich der Gesetzesentwurf aber daran messen lassen, ob er in dieser Form hilfreich im Kampf gegen rechtsradikale Umtriebe und die sogenannte "Hasskriminalität" ist. Das ist schon zweifelhaft, da es natürlich technisch leicht möglich ist, einer Verfolgung auf Basis einer IP-Adresse zu entgehen. Und die Herausgabe von Bestandsdaten ist bei Fake-Accounts auch nur bedingt sinnvoll.

Doch auch wenn einmal eine Person ermittelt wurde, die hinter einer Volksverhetzung oder einer Morddrohung steckt, so muss sichergestellt werden, dass der Rechtsstaat sich als wehrhaft erweist. Hierfür braucht es nicht noch mehr Strafanzeigen oder höherer Maximalstrafen, sondern mehr geschultes Personal, dass solche Anzeigen verfolgt und die ja schon bestehenden Sanktionsmöglichkeiten nutzt. Vor allem aber braucht es eine aufmerksame und wehrhafte Zivilgesellschaft, die gegen rechtsradikale Umtriebe zusammensteht. Weitaus sinnvoller als das aktionistische und geradezu reflexhafte Verschärfen von Strafgesetzen wäre daher die Förderung solcher gesellschaftlichen Aktivitäten. Leider finden sich solche Ideen in dem vor allem auf Aktionismus setzenden Gesetzesentwurf der Justizministerin nicht einmal am Rande.

Joerg Heidrich ist Justiziar und Datenschutzbeauftragter bei Heise Medien und gehört als Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht selbst zu der berechtigterweise aussterbenden Gattung der Nutzer von Faxgeräten. (jk)