Gesundheitsdaten: Deutscher Alleingang für Opt-out nicht mehr ausgeschlossen

Deutsche Gesundheitspolitiker befürchten das Scheitern einer europäischen Lösung angesichts der zähen Debatte im EU-Parlament beim EU-Gesundheitsdatenraum.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 26 Kommentare lesen
Science,Research,As,A,Concept,For,Presentation, EHDS, eHealth, Gesundheitsdaten

(Bild: foxaon1987/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Das politische Ringen um einen besseren Zugang zu Gesundheitsdaten für die Forschung ist zäh. Auf europäischer Ebene soll der Zugang zu den Gesundheitsdaten im Rahmen eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) geregelt werden, wobei Forschende auf die Daten über nationale Zugangsstellen zugreifen können sollen. Im Deutschen Bundestag wird die zähe Debatte teils mit Sorge verfolgt.

Am umstrittensten ist derzeit die Frage, ob und welche Rechte die Betroffenen hinsichtlich der Weitergabe ihrer Krankheitsdaten ausüben können. Umfragen zeigen, dass etwa Dreiviertel der Bürgerinnen und Bürger für einen Opt-in-Zugriff sind. Aktuell hat die Organisation WeMove Europe mit ihrer "Kein Zugriff auf Patientenakten für Big Tech"-Kampagne bereits knapp 70.000 Unterschriften für ein Opt-in gesammelt.

Die Diskussionen in Europa haben auch Einfluss auf das Vorhaben in Deutschland, ein Opt-out für die elektronischen Patientenakte einzuführen. Die Bundesregierung hatte nämlich kürzlich angekündigt, erst dann eigene gesetzliche Regelungsvorschläge vorzustellen, wenn auf europäischer Ebene eine Kompromisslösung gefunden wurde. Im Deutschen Bundestag rechnet man inzwischen sogar damit, dass es in Europa zu gar keiner Einigung mehr kommt beziehungsweise, dass am Ende eine Öffnungsklausel stehen könnte. Dann stünde es den Mitgliedstaaten frei, selbst darüber zu entscheiden, wie sie mit der Opt-out-Frage umgehen wollen.

Während die EU-Kommissionen Patientinnen und Patienten nicht einmal ein Widerspruchsrecht einräumen wollte, schlugen die führenden Berichterstatter im Europäischen Parlament zu Beginn der politischen Debatte ein Opt-out-Recht vor. Doch auch jüngste Positionierungen zeigen, dass auch das wackelt: In Diskussion ist derzeit ein Opt-in für pseudonymisierte und ein Opt-out für anonymisierte Daten. Dabei gehen die Positionen im Parlament weit auseinander, weshalb der führende Berichterstatter nur mehr von einer Kompromisslösung spricht, ohne ein Opt-out noch zu erwähnen. Beobachter halten es jetzt für nicht ausgeschlossen, dass diese Frage über eine Öffnungsklausel letztlich den Mitgliedstaaten überlassen wird.

Mit Blick auf eine drohende Öffnungsklausel, die einem gesundheitspolitischen Scheitern auf europäischer Ebene gleichkäme, erklärte Matthias Mieves, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber heise online: "In jedem Land gibt es einen anderen Umgang zur Erhebung und die europäische Regelung kann das widerspiegeln." Wichtig sei, dass die Daten interoperabel sind. Mieves: "Der Zugriff muss so innerhalb der EU möglich sein, aber für Deutschland eben nur auf jene Daten, die in Patientenhoheit erhoben und gespeichert worden sind."

Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, stärkt dem Regierungspartner den Rücken. Auch erhält das Opt-out für die optimale Lösung. Denn nur damit könnten "die vollen Potenziale der elektronischen Patientenakte ausgeschöpft und die Qualität der Gesundheitsversorgung nachhaltig verbessert werden."

Die Opt-out-Lösung sei für die Daten der elektronischen Patientenakten (ePA) zudem gerecht: "Von der Forschung und den daraus entstehenden Therapien, welche die ePA-Daten ermöglichen, profitieren potenziell alle Patientinnen und Patienten", betont Ullmann. Aus dieser Sicht könne "man es schon als gerechtfertigt ansehen, dass jene aktiv werden müssen, die profitieren, aber nichts dazu beitragen wollen".

Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der oppositionellen CDU/CSU-Bundestagsfraktion befürchtet auch für Deutschland "weitreichende Folgen", sollte der Opt-out-Ansatz im Europäischen Parlament verworfen werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsste seine Strategie dann überdenken, denn: "Ein nationaler Alleingang würde den Sinn des Europäischen Gesundheitsdatenraumes konterkarieren." Sorge plädiert daher für "einen Gleichlauf auf nationaler und europäischer Ebene", da ansonsten die ambitionierten Vorhaben in Deutschland ins Leere laufen würden. Die Bundesregierung müsse sich "stärker als bisher darum bemühen, in Europa für den deutschen Ansatz zu werben und an einem möglichen Kompromiss mitzuarbeiten."

Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, sieht das Opt-out für die ePA mit Blick auf die diskutierte EHDS-Regulierung kritisch. Es sei "nicht akzeptabel, dass die Datenschutzgrundverordnung etwa bei Abonnements von Newslettern Opt-out als rechtswidrig definiert, aber die Zustimmung der Patientinnen und Patienten bei der ePA und im EHDS bei der Weitergabe ihrer medizinischen Daten angenommen werden soll, falls sie nicht aktiv widersprechen."

Sie unterstützt daher die Forderung nach umfassender Information der Betroffenen über die ePA und nach aktiver Zustimmung (Opt-in) für den Zugriff auf ihre Daten. Mit Blick auf den im Europa-Parlament diskutierten Kompromissvorschlag sagt sie: "Es ist kaum praktikabel, das Verfahren (Opt-out oder Opt-in) davon abhängig zu machen, ob Gesundheitsdaten anonymisiert werden können oder nicht."

(mack)