Gewerkschaften gegen US-Patentreform
Arbeitnehmervertretungen haben überraschend den interfraktionellen Gesetzesentwurf des US-Kongresses zur Novelle des US-Patentsystems unter Beschuss genommen und gegen eine Schwächung von Schutzrechten votiert.
Arbeitnehmervertretungen haben überraschend den interfraktionellen Gesetzesentwurf des US-Kongresses zur Novelle des US-Patentsystems unter Beschuss genommen. Sie protestieren angesichts verstärkter Bemühungen aufstrebender Nationen um Patente gegen eine Eingrenzung gewerblicher Schutzrechte in den USA. "In einer Zeit, in der die chinesische Regierung ständig dazu aufgefordert wird, ihre Verpflichtungen zum Schutz geistigen Eigentums ernst zu nehmen, wollen wir keine Handlungen vornehmen, um unsere zu schwächen", heißt es in einem Schreiben des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO an Gesetzgeber in Washington. Brandbriefe mit ähnlichen Aussagen verschickten auch die International Federation of Professional and Technical Engineers (IFPTE) und United Steelworkers an Abgeordnete und Senatoren.
Die Stellungnahmen werfen die Frage nach dem Schutz der Innovation in wettbewerbsstarken Industriefeldern im Zeitalter der Globalisierung auf. Die Gewerkschaften sehen dabei die Erfindungskraft der US-Wirtschaft mit dem Reformvorschlag aus beiden Kammern des US-Kongresses in Gefahr. Ähnliche sorgen machten sich der Abgeordnete Michael Michaud, ein Demokrat, sowie sein republikanischer Mitstreiter Donald Manzullo. Beide verteilten vor dem Beginn der parlamentarischen Sommerpause in den USA Ende Juli einen Brief an die geschätzten Kollegen, wonach insbesondere die "ausländische Konkurrenz" den Entwurf begrüße. Beigeheftet hatten die beiden Kritiker einen Zeitungsartikel, demzufolge Pharmafirmen in Indien in dem Vorstoß eine einfachere Möglichkeit sähen, Patentrechte großer Medizinkonzerne aufzubrechen und mit ihren Generika auf dem US-Markt Fuß zu fassen.
60 besorgte Mitglieder des US-Repräsentantenhauses fanden sich schließlich zusammen, und verhinderten eine rasche Abstimmung der Novelle im Plenum der Kongresskammer. Dabei war der Entwurf trotz einiger kritisierter Punkte im Parlament bereits weiter gekommen als seine Vorgänger. So hatten sich Mitte Juli bereits die federführenden Rechtsausschüsse des Repräsentantenhauses und des Senats mit ein paar Änderungen für das Papier ausgesprochen und so den Weg für die Plenarvoten prinzipiell frei gemacht. Die Einwände der Gewerkschaften, denen eine starke Stellung bei den die Kongressmehrheit innehabenden Demokraten nachgesagt wird, verhinderten dann aber eine rasche Verabschiedung des Patent Reform Act of 2007.
Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass Richter Schadensersatz nur mehr auf der Basis des "spezifischen Beitrags" eines Patents zum Stand der Technik festsetzen dürfen. Obwohl die Gesetzgeber die Klausel schon eingeschränkt haben und die Regelung nur noch greifen soll, wenn ein Anspruchinhaber und Kläger zeigen kann, dass der spezifische Beitrag die Hauptbasis für die Marktnachfrage eines Patentrechte verletzenden Produkts oder Verfahrens ist, geht den Arbeitnehmervertretern dieser Ansatz zu weit. Ein Dorn im Auge ist ihnen auch, dass Skeptiker laut dem Entwurf neu vergebene gewerbliche Schutzrechte und die damit erhobenen Ansprüche noch einmal binnen Jahresfrist überprüfen lassen könnten.
Verbände der Computerindustrie wie die Computer & Communications Industry Association (CCIA) und die Business Software Association (BSA) drängen seit Langem auf eine entsprechende Reform des US-Patentwesens. Sie beklagen, dass dem Patentamt in Washington zu viele triviale Ansprüche durchrutschen, dass einstweilige Verfügungen zu einfach ergehen können und sich die mögliche Verdreifachung der Schadensersatzansprüche zu einfach beantragen lässt. Vereinigungen unabhängiger Erfinder, Wagniskapitalgeber und die Pharmaindustrie wollen dagegen von den skizzierten Eingrenzungen nichts wissen.
Mit dem Einreihen der Gewerkschaften in die Kritikerschar versteht der Demokrat Howard Berman, einer der wichtigsten Unterstützer des Reformvorstoßes im Abgeordnetenhaus, nun aber die Welt nicht mehr. Er sieht keinen Grund, warum die Novelle die Wettbewerbkraft der USA unterwandern sollte. Dies sei vielmehr der Fall, wenn die Änderungen nicht in Kraft träten. US-Innovationen würden schon jetzt aufgrund der "Schwachstellen und dem Missbrauch des gegenwärtigen Systems verhindert". Er geht davon aus, dass das Repräsentantenhaus die Maßnahme gleich im September wieder aufgreift.
Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):
(Stefan Krempl) / (jk)