Gig-Economy: Verdi fordert Abschaffung von Scheinselbstständigkeit
Die Plattformökonomie schafft ein neues Heer an prekär Beschäftigten. Gewerkschaften schlagen nicht zum ersten Mal Alarm.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat einen verstärkten Kampf gegen die Ausbeutung durch Scheinselbstständigkeit gefordert. "Dem Missbrauch von Selbstständigkeit muss ein Riegel vorgeschoben werden", sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Mindeststandards wie der gesetzliche Mindestlohn werden derzeit in erheblichem Umfang durch konstruierte Selbstständigkeit unterlaufen."
Umkehr der Beweislast gefordert
Der Verdi-Chef kritisierte: "Bestimmte Geschäftsmodelle in der Plattformökonomie wie manche Kurier- und Lieferdienste basieren auf Scheinselbstständigkeit." Das gehöre abgeschafft. "Helfen würde zum Beispiel eine Umkehrung der Beweislast", forderte Werneke. "Dazu müsste grundsätzlich unterstellt werden, dass derartige Plattformen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anbieten." Gegebenenfalls müsste der Plattformbetreiber nachweisen, dass es sich tatsächlich um echte Selbstständigkeit handele. "Die Umkehr der Beweislast hätte zur Folge, dass sich die Menschen nicht mehr in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einklagen müssten", so der Gewerkschaftschef.
Bei Kurier- und Lieferdiensten ist die Abhängigkeit zum Arbeitgeber noch ziemlich klar, auch wenn es nicht leicht ist, den Überblick über Arbeitsverhältnisse und Verantwortlichkeiten zu behalten, wenn Subunternehmen im Spiel sind. Und das ist häufig der Fall. Gänzlich undurchsichtig wird das Ganze, wenn es um das sogenanntes Crowd- und Clickworking geht. Plattformarbeiter, oftmals Schüler oder Studenten, sind mangels Weisungsrechts des Auftraggebers und fehlender Einbindung in die Strukturen der Plattform nach deutschem und europäischem Recht keine Arbeitnehmer.
Immer mehr prekäre Jobs
Gewerkschaften befürchten, dass durch massenhafte Ausbreitung von Mikrojobs, etwa angeboten durch die Plattform clickworker.com, im Zuge der Digitalisierung ein neues industrielles Prekariat entsteht. Denn um mit solchen kleinteiligen Arbeiten einen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist nur schwer möglich und noch schwerer kontrollierbar, weil sich die Anbieter nicht an Landesgrenzen halten müssen. Betriebsräte, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge existieren in diesem Umfeld nicht.
Einzelne europäische Länder haben zwar Initiativen gestartet, den arbeitsrechtlichen Status etwas über anerkannte Musterverträge feststellen zu lassen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um isolierte Lösungen, die nur für höherwertige Crowdworking-Tätigkeiten in Betracht kommen dürften, etwa beim Testen von Software, das eine gewisse Qualifikation erfordert. Die IG Metall betreibt zu diesem Themenkomplex ein Portal mit Informationen rund um das plattformbasierte Arbeiten.
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(mit Material der dpa) / (jd)