Gigabit: Kanzleramtschef wirbt für Recht auf superschnelles Internet

Wenn die Politik es ernst meine mit flächendeckenden Gigabitanschlüssen bis 2025, müsse sie das auch rechtlich unterfüttern, sagt Kanzleramtschef Helge Braun.

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Gigabit: Kanzleramtschef wirbt für Recht auf superschnelles Internet

Kanzleramtschef Braun zeigt sich auf dem BDI-Kongress erleichtert, dass wir heute nicht alle ISDN haben.

(Bild: BDI)

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Bundeskanzleramtschef Helge Braun hat den Plan der großen Koalition untermauert, spätestens 2025 das Recht auf schnelles Internet gesetzlich zu verankern. "Wenn wir das ernst meinen mit Gigabit bis 2025, müssen wir an diesem Endpunkt handeln", betonte der CDU-Politiker am Mittwoch auf einer Konferenz des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags in Berlin. Die Politik könne niemandem mehr erklären, dass ein Haushalt bis 2026 keinen leistungsfähigen Breitbandanschluss bekommen solle.

Unter anderem die Grünen trommeln seit Jahren dafür, einen schnellen Internetanschluss als Universaldienst zu deklarieren – und die Netzbetreiber damit zum flächendeckenden Ausbau zu verpflichten. Braun zeigte sich aber erleichtert, dass der Gesetzgeber vor 15 Jahren den damaligen Stand von Internetzugängen noch nicht als Element der Daseinsvorsorge festgeschrieben habe, "sonst wäre es ISDN geworden". Jetzt sei es aber ein kluger Zeitpunkt, nicht nur flächendeckend in Glasfaser zu investieren, sondern auch einen Anspruch auf Gigabit zu schaffen analog zu dem auf einen Kindergartenplatz: "Schneller als die Lichtgeschwindigkeit geht es nicht."

"Die Leute sind von unserem bisherigen Ausbauziel mit 50 MBit/s bis zum Jahresende etwas enttäuscht", räumte der Leiter der Regierungszentrale ein. "Sie machen sich Sorgen um die Zukunftsfähigkeit." Besonders unzufrieden seien jene, für die dieses Ziel nicht einmal erreicht werde. Am gravierendsten sei das "Lückenschlussproblem", wenn die Bagger an einem Ort zwar dagewesen seien und Glasfaser verlegt worden sei, "aber nicht in der hintersten Stichstraße links". Die Politik werde daher an dem vorgesehenen Recht nicht mehr vorbeikommen.

Beim zweiten großen Ärgernis der Funklöcher hat Braun nach eigenen Angaben inzwischen gelernt, dass jede Relativierung eines raschen flächendeckenden Ausbauziels beim kommenden Mobilfunkstandard 5G "einen Shitstorm auslöst". Der Christdemokrat drückte sich daher vorsichtiger aus: Demnächst würden zunächst bewusst "Superfrequenzen für die Ballungszentren" und Industrieanwendungen versteigert, erläuterte er. Nach und nach würde dann immer wieder weiteres Spektrum vergeben werden. Zunächst gelte es aber zu klären, wo die enorme 5G-Leistungsfähigkeit am meisten gebraucht werde, nämlich etwa für das autonome Fahren.

Der BDI bezeichnet den Gigabitausbau in einem im Rahmen der Tagung veröffentlichten Positionspapier als "Rückgrat der digitalen Transformation". Mobilfunknetze der fünften Generation und glasfaserbasierte Netze "möglichst bis ins Haus und in die Wohnungen" müssten bis 2025 für alle Unternehmen, privaten Haushalte und entlang der Verkehrswege zur Verfügung stehen, fordert der Verband. Sonst drohe Deutschland international den Anschluss zu verlieren.

Industrietaugliche Netze erforderten oft "symmetrische Übertragungsraten" für Up- und Downloads im Gigabit-Bereich, mit niedrigen Latenzzeiten und geringem Taktzittern bei der Signalübertragung (Jitter), heißt es beim BDI. Er macht sich zugleich für Open Access stark, da dieses Prinzip "des offenen und diskriminierungsfreien Zugangs" den dringend benötigten Glasfaserausbau erleichtere. Langwierige, aufwändige Antrags- und Genehmigungsprozesse auf kommunaler Ebene für Wegerechte, Standorte und Baustellen müssten vereinfacht und standardisiert werden. Auch "erleichterte Genehmigungen oberirdischer Kabelverlegung" und alternativer Techniken könnten den Ausbau beschleunigen.

Zuständigkeiten zwischen den Ministerien und dem Bundeskanzleramt sollten klarer aufgeteilt werden, verlangt der Verband. Nötig sei "ein ganzheitliches Konzept", um die Zusammenarbeit in der Regierung ressortübergreifend zu koordinieren. Um die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen zu erhöhen, bringt der BDI – ähnlich wie andere Branchenverbände – Gigabit-Gutscheine ins Spiel. Einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet lehnt der Verband allerdings ab.

Die große Koalition ist sich noch nicht einig, was Verlegemethoden wie Micro- oder Nano-Trenching angeht, bei denen weniger tief gebuddelt werden muss. Der SPD-Netzpolitiker Gustav Herzog mahnte hier zur Vorsicht, vor allem wenn es um kritische Infrastrukturen gehe. Seine Devise: "Lieber ein Jahr länger und richtig verlegen." Sonst drohten auch auch bei Sanierungsmaßnahmen der Straßen Probleme. "Wenn wir es mit dieser Akkuratesse machen wollen, werden wir zu unseren Lebzeiten nicht mehr fertig", hielt Thomas Jarzombek (CDU) dagegen. Glasfaserleitungen könnten etwa auch "von Regenrinne zu Regenrinne" verlegt werden wie früher beim TV-Kabel.

Deutlicher als Braun konstatierte Jarzombek, dass die aktuellen 5G-Modelle für industrielle Anwendungen gedacht und die demnächst versteigerten Frequenzen nicht für eine flächendeckende Abdeckung geeignet seien. Auch Telemedizin-Dienste in ländlichen Regionen könnten so aber über lokale Frequenzen angeboten werden. Die Linke Anke Domscheit-Berg und der Grüne Dieter Janecek plädierten dagegen für klare Verpflichtungen für die Diensteanbieter und Netzbetreiber, neben 4G auch 5G baldmöglichst flächendeckend auszubauen. "Mir fehlt eine abgestimmte Strategie für Glasfaser", kritisierte Manuel Höferlin (FDP) die Regierung. Zunächst müssten die wichtigen Verteilstellen, dann die Häuser versorgt werden. 4G sei zu "ertüchtigen", 5G müsse dann schrittweise aufgebaut werden. (vbr)