Künftiger Kanzleramtschef mit Absage an Vectoring: "Wir fördern nur noch Glasfaser"

Der designierte Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun (CDU), hat eine "neue Förderstrategie" beim Breitbandausbau angekündigt. Der auf Kupferkabeln basierenden VDSL-Turbo Vectoring werde staatlich nicht mehr finanziert.

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Künftiger Kanzleramtschef: "Wir fördern nur noch Glasfaser"
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Das Ziel der alten Bundesregierung, allen Haushalten bis Ende des Jahres flächendeckend Internetanschlüsse mit mindestens 50 MBit/s zu bieten, scheint nicht mehr erreichbar, zumal der Großteil der Fördermittel noch gar nicht abgeflossen ist. In der staatlichen Unterstützung für den Ausbau schneller Netze hat der vorgesehene neue Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun, nun einen deutlichen Kurswechsel angekündigt. Der CDU-Politiker erklärte am Mittwoch im ZDF: "Wir fördern in Zukunft nur noch Glasfaser, weil wir sagen: Das ist die Zukunftstechnik, die die Gigabit-Geschwindigkeit möglich macht."

Die sich formierende Wiederauflage von Schwarz-Rot hat sich im Entwurf für einen Koalitionsvertrag vorgenommen, bis 2025 flächendeckend in Deutschland gigabitfähige Netze zu schaffen. Wirklich neu ist das nicht, das hatte der Ex-Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt (CSU), genauso bereits mit Vertretern aus der Telekommunikationswirtschaft in der Netzallianz 2016 vereinbart. Der neue Mann an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte aber: "Die Sorge, die manche hatten, dass wir Kupferkabel fördern, dass wir Vectoring finanzieren mit staatlichen Mitteln – das tun wir nicht."

Die Regierung sei bereit, für Glasfaser mit den laut Koalitionsvereinbarung vorgesehenen zehn Milliarden bis zwölf Milliarden Euro "viel Geld auszugeben", auf jeden Fall weitaus mehr als in der vergangenen Legislaturperiode. Sie werde schon bald beginnen, "Ausschreibungen zu machen, um überall da zu fördern, wo ein wirtschaftlicher Glasfaserausbau nicht möglich ist." Überall im ländlichen Raum, wo die Unternehmen nicht wirtschaftlich ausbauen könnten, "da tun wir es dann auch mit staatlichen Mitteln". Was die Förderstrategie angehe, handle es sich um ein "glasklares Nein zu Vectoring".

Konkret zuständig für den Breitbandausbau wird aber das Verkehrsministerium bleiben, in dem der bisherige CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer das Zepter führen soll. Derzeit beantwortet das Ressort laut "heute.de" keine Fragen zum Glasfaserausbau beziehungsweise zum VDSL-Turbo Vectoring und verweist auf die "zukünftigen Regierungspartner".

Dem Text des Koalitionsvertrags ist der Kurswechsel nicht ganz so klar zu entnehmen wie Brauns Ankündigungen. Förderfähig sind dem Text nach "Ausbauabschnitte", die mit Glasfasertechnik versorgt werden. Theoretisch bleibt damit eine Lücke, denn auch beim Einsatz von Vectoring werden die Strecken bis zum Hauptverteiler mit Glasfaser bestückt, erst danach geht es langsamer auf Kupferbasis weiter zu den Häusern und Wohnungen. Den skizzierten Gigabit-Fördertopf will die Koalition zudem mit "Erlösen aus der Vergabe der UMTS- und 5G-Lizenzen" füllen und im Anschluss "zweckgebunden bereitstellen". Das Geld kommt so letztlich von den Netzbetreibern und geht nur durch mehrere Hände.

Konstantin von Notz, Vize der grünen Bundestagsfraktion, kritisierte, dass das Gigabit-Versprechen für 2025 über die aktuelle Legislaturperiode hinausgehe und damit "nutzlos" sei. Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) begrüßte dagegen die Ankündigung Brauns, da es für kupferbasierte Übergangslösungen "keinen Cent an Fördergeldern mehr geben" dürfe. Andererseits warnte der Breko davor, den Markt mit Fördermitteln "zu fluten" und so den eigenwirtschaftlichen Ausbau im Wettbewerb zu verdrängen. Auch dies wäre "kontraproduktiv für einen schnellen, flächendeckenden Glasfaserausbau".

Der Breko lobte auch das Vorhaben der neuen Regierung, bislang noch in der Planungsphase oder in der Ausschreibung befindliche Förderprojekte mit Kupferkomponente auf Glasfaser umzumünzen. Dies trage zu dem von Schwarz-Rot gewollten "Netzinfrastrukturwechsel" bei und sollte daher umgesetzt werden.

Im Rahmen des alten Breitbandziels setzte die Telekom jahrelang vor allem auf Vectoring, um weiße Flecken auf der Netzkarte schnell zu füllen. Der Konzern plädierte immer wieder für "realistische Ziele" auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft und daran orientierte "Handlungsbedarfe". Glasfaser sei keine "allein seligmachende Strategie", hieß es von den Bonnern.

Update 8.3.18, 15.33 Uhr: Ein Telekom-Sprecher begrüßte nach den Aussagen Brauns gegenüber heise online, "dass die Koalition die bestehenden Breitband-Förderprogramme weiterentwickeln und prioritär auf die Erschließung von Gewerbegebieten oder Schulen setzen will". Auch dazu wolle der Konzern "einen wichtigen Beitrag leisten". Grundsätzlich sei der Ansatz richtig, "dass Förderung sich gezielt auf unterversorgte Gebiete im ländlichen Raum konzentriert, um Wettbewerbsverzerrungen und Mitnahmeeffekte zu vermeiden". Generell lobenswert sei auch, dass sich Schwarz-Rot "ambitionierte, technikaffine Ziele für die Digitalisierung Deutschlands" gesetzt habe. Hierfür sei "schnell Planungssicherheit und eine investitionsfreundliche Ausgestaltung der Maßnahmen notwendig". Auf das Prinzip "Glasfaser first" ging der Unternehmensvertreter nicht ein. (anw)