Glasfaser im Schwarzwaldtal – Breitbandausbau mit viel Eigeninitiative
Gleich aus zwei Töpfen könnten Verantwortliche nun für den Breitbandausbau in Baden-Württemberg schöpfen, aber neben den verschiedenen Verwendungszielen der Fördergelder stehen auch planerische Fehler im Weg. Manche Orte werden schlicht vergessen.
- Annika Grah
- Kristina Beer
- dpa
Tief im Tal liegt Schneider Schreibgeräte – ein traditionsreicher Hersteller von Kugelschreibern und Füllhaltern. Links und rechts des schmalen Firmenareals erheben sich steil die bewaldeten Hänge des Schwarzwalds. Der nächstgelegene Ort beginnt in einem zwei Kilometer entfernten Seitental, das nicht weniger schmal ist. Nur wenige Firmenzentralen in Baden-Württemberg dürften noch abgelegener sein.
Was nach viel Tradition und Ortsverbundenheit klingt, kann zum Problem werden. Vor allem, wenn es darum geht, neueste Technik anzuwenden. Jahrelang wartete die Geschäftsführung von Schneider auf schnelles Internet. Das Problem: Der nächst gelegene Ort Langenschiltach gehört zu St. Georgen im Schwarzwald-Baar-Kreis – dort gibt es schnelles Netz. Die Schneider-Werke liegen auf der Gemarkung Tennenbronn, ein Ortsteil von Schramberg im Landkreis Rottweil.
Teure Eigeninitiative
Die Schneider-Werke planten eine Zentralisierung ihrer IT, schnelle Leitungen waren dringend notwendig. Irgendwann wurde es der Geschäftsführung zu dumm: Im vergangenen Jahr nahm die Firma 70.000 Euro in die Hand und bezahlte die 800 Meter Glasfaserkabel zum nächsten Knotenpunkt am Ortsausgang von Langenschiltach aus eigener Tasche.
Ein Einzelfall, der aber zeigt, wie schwierig der Breitbandausbau in Baden-Württemberg inzwischen geworden ist. Eigentlich steht das Land im bundesweiten Vergleich nicht schlecht da. Bei Übertragungsraten von mehr als 50 MBit/s, die notwendig sind, um beispielsweise Videos aus dem Netz möglichst ruckelfrei anzusehen oder professionelle IT-Anwendungen von Servern zu nutzen, lag der Südwesten unter den Flächenländern zuletzt auf Platz drei hinter Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Doch die übrig gebliebenen "weißen Flecken" zu schließen, die nicht nur in schwer zugänglichen Regionen, sondern auch in Gewerbegebieten an Rändern von Städten und Gemeinden liegen, wird immer schwieriger.
Die von Firmen favorisierten Glasfaserleitungen sind besonders teuer, da sie in der Regel neu in der Erde verlegt werden müssen. Für einzelne Firmen lohnen die Bauarbeiten für private Telekommunikationsunternehmen kaum. Doch staatliche Eingriffe sind im EU-Wettbewerbsrecht streng geregelt. Nur dort, wo der Markt versagt, also sich kein Telekommunikationsunternehmen findet, das die Versorgung gewährleistet, darf ein Ausbau mit öffentlichen Geldern erfolgen. Dann können beispielsweise Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung handeln.
Zwei Töpfe
Das Land stellt für diesen kommunalen Breitbandausbau bis 2018 rund 250 Millionen Euro bereit. Hinzu kommen Gelder des Bundes. "Wir haben erstmals zwei Fördertöpfe, die für einen flächendeckenden Ausbau ausgestaltet sind", sagt Steffen Jäger, Breitbandexperte des Gemeindetags. Die Schwierigkeit liegt in der Umsetzung: "Inhaltlich sind die beiden Töpfe nicht aufeinander abgestimmt."
Das Land gibt Geld an Gemeinden und Städte, um Infrastruktur zu schaffen. "Das zielt eher auf Glasfaser", erklärt Jäger. Bei der Finanzierung des Bundes hingegen müssten Wettbewerber einbezogen werden – und die wirtschaftlichste Lösung gewählt werden. Die Projekte sollen bis 2018, wenn die Bundesregierung flächendeckend Bandbreiten von 50 MBit/s geschafft haben will, fertiggestellt sein. Das wiederum ziele in der Regel auf eine Ertüchtigung des alten Kupferkabels, sagt Jäger.
Unternehmer im Land schielen neidisch auf die Nachbarn in Bayern. "Die Landesregierung setzt richtigerweise auf Glasfaser, muss jedoch deutlich das Tempo und die Investitionen auch im Vergleich zu Bayern erhöhen", sagt etwa der Geschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA, Dietrich Birk. Der Freistaat stellt bis 2018 bis zu 1,5 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung.
Doch der Vergleich hinkt, sagt Steffen Jäger. "Bayern macht vieles anders, aber nicht besser. Die Investitionssumme ist höher, aber die Förderung ist ausgestaltet wie die Fördertöpfe des Bundes. Sie zielt also nicht auf Glasfaser."
Außerdem ist auch dort die Planung nicht fehlerfrei, wie der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages, Peter Driessen, beklagt, bleibt das Netz trotz aller Ausbaupläne bisher löchrig. Immer wieder komme es vor, dass ganze Gewerbegebiete beim Breitbandausbau schlicht vergessen würden. "Dann schauen die Unternehmen in die Röhre oder müssen sich um teure Ersatzlösungen kümmern." Dabei gelte die Breitbandversorgung mittlerweile bei vielen Unternehmen als wichtigstes Infrastrukturkriterium – "noch vor der Energieversorgung oder der Verkehrsanbindung", sagt Driessen.
Förderung der Zusammenarbeit
Die baden-württembergische Landesregierung fördert inzwischen die interkommunale Zusammenarbeit in den Landkreisen mit besonderen Zuschlägen. Das soll Zeit und Ressourcen sparen – außerdem werden die umfangreicheren Ausschreibungen für Firmen attraktiver. Wenn einmal ein Backbone-Netz mit Glasfaser in einem Kreis liegt, macht es das den Gemeinden einfacher, sich dort anzuschließen, so die Logik.
Inzwischen planen dem zuständigen Ministerium für Ländlichen Raum zufolge drei Viertel der baden-württembergischen Landkreise schnelle Netze mit finanzieller Unterstützung des Landes. Dazu gehört auch der Schwarzwald-Baar-Kreis, an dessen Netz sich die Schneider-Werke nun angedockt haben. Der Landkreis Rottweil, auf dessen Boden die Produktion steht, setzt dagegen auf die Förderung des Bundes.
Bis zum Winter 2017/2018 sollen 95 Prozent der Haushalte und Unternehmen mit Bandbreiten von mindestens 30 MBit/s versorgt werden. Geschäftsführer Christian Schneider will darauf nicht warten, er plant deshalb schon die nächsten Bauarbeiten. In die andere Richtung nach Tennenbronn sollen bis 2017 Erdgasleitungen verlegt werden – denn auch die Energieversorgung reicht in dem Tal nicht aus. Im Zuge der Grabungen würden dann auch noch einmal Glasfasern verlegt. "Wenn das durch ist, sind wir bestens versorgt", sagt Schneider. (kbe)