Glasfaserausbau: Breko sieht Regierungsziel gefährdet​

Der Bundesverband Breitbandkommunikation warnt, dass das mittelfristige Glasfaserziel der Bundesregierung in Gefahr sei – die Ausbaudynamik nehme ab.​

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Mann will Glasfaser einbauen

Der Glasfaserausbau schreitet voran. Allerdings nicht so schnell wie geplant.

(Bild: SHARKstock / Shutterstock.com)

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In der heute vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) vorgestellten Marktanalyse zeigt sich, dass sich der Ausbau in der Fläche im vergangenen Jahr verlangsamt hat. Das betrifft die sogenannten "Homes passed", also Glasfaser, die im Straßenland verlegt wird. Stieg die Zahl der Flächenerschließungen zwischen 2022 und 2023 noch um 36 Prozent, verlangsamte sich dieses Wachstum bis Juni 2024 auf nun 15 Prozent. An 43,2 Prozent aller 19,9 Millionen anschließbaren Einheiten führt laut der Markterhebung bei 194 der fast 280 Telekommunikationsunternehmen mittlerweile Glasfaser vorbei.

Offizielles Regierungsziel ist, die Hälfte der Haushalte bis Ende 2025 mit Glasfaser im Straßenraum anschließbar zu machen. Der Marktanalysen-Autor Jens Boecker von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg erklärt: "Wir halten das Ziel für realistisch, womöglich wird es sogar leicht übererfüllt." Die Glasfaseranbieter hätten zuletzt vom Flächenausbau auf den Anschluss von Liegenschaften umgesattelt. Boecker sieht unter den derzeitigen Rahmenbedingungen daher für das Ziel der jetzigen Bundesregierung wenig Chancen, 2030 alle Haushalte, Unternehmen und Behörden mit Glasfaser zu versorgen: "Der Glasfaserausbau wird etwas länger dauern als gedacht." Er rechnet stattdessen mit 76 bis 86 Prozent.

Von den 19,9 Millionen anschließbaren Liegenschaften und Haushalten wurden bislang 10,5 Millionen tatsächlich bis ins Gebäude mit Glasfaser versorgt. Tatsächlich aktiviert, also in Benutzung, sind nunmehr 5,2 Millionen Anschlüsse. Während die Deutsche Telekom 39 Prozent der Homes Passed und die Mitbewerber 61 Prozent der Flächenerschließung für sich reklamieren kann, ist der Anteil an tatsächlich aktivierten Anschlüssen laut der Breko-Marktanalyse deutlich geringer. Nur 23 Prozent, umgerechnet also knapp 1,2 Millionen Glasfaseranschlüsse würden auf den Bonner Telekomkonzern entfallen, der Rest auf die Mitbewerber.

Dabei ist der Glasfaserausbau regional unterschiedlich weit fortgeschritten. Während Schleswig-Holstein mit 89,3 Prozent Homes Passed und 52 Prozent Homes Connected weit vorne liegt, hinken Baden-Württemberg mit 29 Prozent grundsätzlich erschließbarer und 13,1 Prozent angeschlossener Einheiten sowie Bayern mit 34 Prozent und 19,2 Prozent ungewohnt weit hinterher. Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass diese Bundesländer stark auf den geförderten und nicht auf den Ausbau durch Wirtschaftsunternehmen gesetzt hätten. Das sorge in vielen Fällen für eine Verzögerung von zwei bis drei Jahren, so der BWL-Professor Jens Boecker.

In Hessen hingegen hat sich der Glasfaserausbau zuletzt deutlich beschleunigt. Ein Grund dafür dürften die digitalen Genehmigungsverfahren sein. Unter den Stadtstaaten bilden Berlin und Bremen die Schlusslichter. Dies scheint jedoch nicht an der Bevölkerungsdichte zu liegen: Hamburg sticht mit gut 80 Prozent erreichter Verlegung und 40 Prozent angeschlossener Gebäude deutlich hervor.

Ein Ende des Festnetzanschlusses lässt sich mit diesen Zahlen nicht belegen: Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung würde ganz darauf verzichten. Zudem würde der Löwenanteil des Datenverkehrs weiterhin über Festnetzanschlüsse abgewickelt: 7,2 Gigabyte im Mobilfunk pro Monat stünden 332 Gigabyte an Festnetzanschlüssen gegenüber.

Die Entwicklungen des vergangenen Jahres spiegeln das schwieriger gewordene Marktumfeld wider: Investoren hatten in den vergangenen Jahren große Summen in den deutschen Glasfaserausbau investiert, verbunden mit Renditeerwartungen. Doch Geld fließt nur mit gebuchten Anschlüssen in die Kassen der Unternehmen – und damit in die Finanzierung des weiteren Ausbaus, in die Tilgung aktuell teurer Kredite oder eben in die Ausschüttung an die Investoren. Und so gingen die Investitionen der alternativen Anbieter erstmals zurück – allerdings auf hohem Niveau, auf nunmehr 7,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig stiegen die Investitionen der Telekom in den Glasfaserausbau, so die Zahlen der Marktanalyse.

Dies ist auch immer wieder Grundlage für die Forderungen der Interessenvertreter der mittlerweile über 500 Mitgliedsunternehmen, viele davon aus dem Bereich der Stadtwerke. Der Verband betonte, dass Anreize für den Ausbau gefördert werden müssten. Zentral sei die Abschaltung des Kupfernetzes dort, wo Glasfaser vollständig ausgebaut ist. Breko-Geschäftsführer Stephan Albers forderte: "Es kann nicht ins Belieben der Telekom gestellt werden, die Kupfernetze nur dort abzustellen, wo sie selber ausbaut." Dafür seien Bundesregierung und Bundesnetzagentur zuständig.

Auch die Wettbewerbssituation zwischen anderen Anbietern und der Telekom, die in den Ausbaugebieten bisher in der Regel Kupfernetze betreibt und nun selbst verstärkt Glasfaser ausbaut, wird weiter diskutiert. Im Rahmen der Markterkundung wurden von 78 Anbietern 284 Projekte genannt, bei denen sie von einem sogenannten Doppelausbau betroffen gewesen sein wollen. Das sind Fälle, in denen neben einem Unternehmen, das den Ausbau in einem Gebiet angekündigt oder bereits begonnen hat, ein weiteres Unternehmen mit Ausbauplänen aufgetreten ist. In einem Drittel der Fälle hätten sich die Unternehmen dann aufgrund dieser Überbauankündigung zurückgezogen.

Der Vorwurf, dass insbesondere die Telekom und ihre Joint Ventures mit diesem Vorgehen gezielt Geschäftsmodelle anderer Unternehmen behindern, steht seit Jahren im Raum. Die Bundesnetzagentur als Regulierer hat hier bislang jedoch keinen Anlass zum Einschreiten gesehen. Die Konkurrenz fordert, dass die Deutsche Telekom ihre Ausbaupläne bei der Bundesnetzagentur hinterlegen müsse, sodass anschließend überprüfbar sei, ob diese strategisch die Ausbauplanungen anderer Wettbewerber untergrabe. Die Telekom hat den Vorwurf dieses "strategischen Überbaus" in der Vergangenheit mehrfach zurückgewiesen und auf die Rechtslage verwiesen, die einen doppelten Ausbau erlaube.

(mack)