Google: Internes Tool soll Mitarbeiter-Treffen kontrollieren

Mitarbeiter werfen Google vor, im internen Kalender-Tool Versammlungen zu überwachen. In Zürich sollte außerdem ein Gewerkschaftstreffen verhindert werden.

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Glaspalast mit Aufschrift "Google", davor Grünraum und ein Fahrrad

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Simon Koenigsdorff

Dass viele Google-Mitarbeiter ein angespanntes Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber haben, wird seit über einem Jahr immer deutlicher. Nun sorgt ein neues Tool für den hausinternen Kalender im Chrome-Browser für Ärger. Mehrere anonyme Mitarbeiter werfen dem Konzern vor, mithilfe der Erweiterung die Versuche der Mitarbeiter überwachen zu wollen, sich für Proteste oder arbeitsrechtlichen Diskussionen zu verabreden.

Dem Nachrichtenportal Bloomberg liegt ein internes Memo eines Google-Mitarbeiters vor, in dem es heißt, die eigens entwickelte Erweiterung überwache neu im Kalender angelegte Termine und melde diejenigen, zu denen mehr als zehn Räume oder 100 Teilnehmende eingeladen werden. Laut dem Memo handelt es sich dabei um "einen Versuch der Firmenleitung, sofort von Versuchen der Angestellten zu erfahren, sich zu organisieren". Technisch gesehen handelt es sich offenbar um eine Erweiterung für eine intern flächendeckend eingesetzte Variante des Chrome-Browsers und dessen Kalenderfunktion. Bloomberg zitiert Angaben von Entwicklern, wonach sich das Tool nach der Installation nicht mehr entfernen lasse und für die "Regeldurchsetzung" eingesetzt werde.

Google selbst dementierte gegenüber Bloomberg, dass es sich dabei um ein Überwachungstool handelt. Die Behauptungen seien "kategorisch falsch", das Tool frage die Nutzer per Pop-Up-Meldung lediglich, ob sie den Termin tatsächlich in den Kalendern so vieler anderer Mitarbeiter anzeigen lassen wollten. Hintergrund sei ein Anstieg von Spam im internen Kalendersystem. Eine weitergehende Anfrage von heise online ließ Google bisher unbeantwortet.

Google ist eigentlich als Arbeitgeber bekannt, der viel Wert auf eine offene Unternehmens- und Feedbackkultur legt. Dieses Bild eines äußerst liberalen Arbeitgebers bekommt seit vergangenem Jahr jedoch zunehmend Risse. Erst diese Woche wurde bekannt, dass Google an seinem Schweizer Standort in Zürich versucht haben soll, eine von Angestellten anberaumte Versammlung abzusagen. Bei dem Treffen sollte es um Arbeitnehmerrechte gehen, es waren auch Vertreter der Gewerkschaft Syndicom eingeladen. Die Führungsebene soll diesen Schritt damit begründet haben, solche Veranstaltungen lieber selbst ausrichten zu wollen – das Treffen fand am Ende jedoch trotzdem statt. Auch hier liegt heise online bislang noch keine Stellungnahme von Google vor.

Bereits im August waren neue "Community Guidelines" für die interne Kommunikation bei Google an die Öffentlichkeit gekommen. Laut dem Text der Richtlinien sei es zwar erwünscht, Informationen und Ideen mit Kollegen zu teilen, nicht jedoch "den Arbeitstag zu stören, um eine hitzige Debatte über Politik oder aktuelle Nachrichten zu führen". Angestellte würden für ihre Äußerungen am Arbeitsplatz zur Verantwortung gezogen. Darüber hinaus war damals die Rede von einem in Entwicklung befindlichen Moderationssystem für die interne Kommunikation in Chatboards, das es ermöglichen soll, "problematische" Posts zu melden. Auch ein Moderatorenteam wurde damals als geplant bestätigt.

Die Unternehmensleitung von Google war zuvor immer wieder in die Kritik der eigenen Mitarbeiterschaft geraten: So organisierten Angestellte interne Proteste gegen eine Zusammenarbeit mit dem US-Militär bei der automatischen Auswertung von Drohnenaufnahmen sowie gegen eine als "Dragonfly" bekannt gewordene Suchmaschine für den chinesischen Markt. Diese sollte die Zensurvorgaben der chinesischen Regierung umsetzen. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichten die Proteste mit den weltweiten "Google Walkouts" vor knapp einem Jahr. Damals legten tausende von Google-Angestellten zeitgleich ihre Arbeit nieder, um gegen Sexismus, Rassismus und Machtmissbrauch der Führungsebene im Unternehmen zu protestieren. (siko)