Google will erneut Ăśberlegenheit von Quantencomputer gezeigt haben

Forscher fanden heraus, dass womöglich keine Fehlerkorrektur nötig ist, um mit einem Quantencomputer einen klassischen Supercomputer zu übertreffen.

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Renderbild eines Quantencomputers

(Bild: Bartlomiej K. Wroblewski / Shutterstock.com)

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Quantencomputer sind umgeben von einem Glanz der großen Versprechungen: mehr Rechenleistung, höhere Geschwindigkeit, besser als jeder Supercomputer. Eine Demonstration dieser Hochleistung blieb bisher jedoch aus. Nun behauptet ein Forschungsteam von Google Research, mit ihrem Quantenprozessor Sycamore eine Aufgabe gelöst zu haben, die die Rechenkapazität von klassischen Supercomputern übersteigt. Diese Fähigkeit wird häufig als Quantenüberlegenheit bezeichnet.

Bereits 2019 behaupteten Google-Forscher, mit einem früheren Sycamore-Modell Quantenüberlegenheit demonstriert zu haben. Der Chip mit 53 supraleitenden Qubits sollte in 200 Sekunden eine Aufgabe gelöst haben, für die ein Supercomputer 10.000 Jahre gebraucht hätte. Die Nachricht erhielt große mediale Aufmerksamkeit, doch bereits wenige Tage später folgte die Ernüchterung: Der Konkurrent IBM zeigte, dass ein Supercomputer diese Aufgabe mit den richtigen Methoden in nur 2,5 Tagen lösen kann.

Das Hauptproblem der damaligen Arbeit war, dass Google die Rechenaufgabe extra dafür konzipierte, von einem Quantencomputer schneller gelöst werden zu können als von einem klassischen Supercomputer. Einen mathematischen Beweis für die Überlegenheit des Quantencomputers gab es nicht, einen praktischen Nutzen allerdings auch nicht. Das Problem war schlichtweg so speziell, dass noch niemand zuvor versucht hatte, es effizient mit einem Supercomputer zu lösen.

Google ist nicht das einzige Unternehmen, dessen angeblicher Quantenvorteil widerlegt worden ist. IBM wollte 2023 mit seinem 127-Qubit-Prozessor gezeigt haben, ein nützliches mathematisches Problem gelöst zu haben. Nur wenig später zeigten Forscher, dass auch ein klassischer Computer dazu in der Lage ist.

Die neueste Publikation des Forschungsteams um Alexis Morvan, Benjamin Villalonga, Xiao Mi und Salvatore Mandra von Google Research und vom Quantum Artificial Intelligence Lab des NASA Ames Research Center schließt an die Ergebnisse von 2019 an. Veröffentlicht wurde sie im Fachmagazin Nature. Frank Wilhelm-Mauch, Leiter des Instituts für Quantencomputer-Analytik vom Forschungszentrum Jülich, meint: "Dieses Paper nimmt die Technik der Arbeit von 2019 auf und macht sehr vieles sehr viel besser."

Die Aufgabe, die der Quantencomputer lösen soll, heißt "Random Circuit Sampling". Es handelt sich um einen Quantenalgorithmus, der eine Reihe von Zufallszahlen generiert. Dabei führen die Forscher eine Reihe von zufällig ausgewählten Quantengattern (also quantenphysikalischen Rechenoperationen) aus, um die Qubits in eine komplizierte Konfiguration zu bringen, die für klassische Computer schwierig zu simulieren ist.

"Mir ist kein praktischer Nutzen von Random Circuit Sampling bekannt", sagt Sabine Wölk vom DLR-Institut für Quantentechnologien. Allerdings gebe es sogenannte varationelle Quantenschaltkreise, welche ähnlich aufgebaut sein könnten wie die von Google erzeugten "random circuits. [...] Von diesen variationellen Quantenschaltkreisen erhofft man sich einen Quantenvorteil, zum Beispiel bei der Berechnung von chemischen Energien oder im Bereich des maschinellen Lernens."

Anders als 2019 betiteln die Google-Forscher ihre Ergebnisse nicht mit der Behauptung der Quantenüberlegenheit – tatsächlich kommen die Begriffe "quantum supremacy" oder "quantum advantage" nicht im Text vor. Stattdessen trägt die Publikation den Titel "Phase transitions in random circuit sampling". Erst im Abstrakt schreiben die Forscher, "dass die Rechenkosten unseres Experiments die Möglichkeiten bestehender klassischer Supercomputer übersteigen." Neben der Demonstration der Quantenüberlegenheit widmet sie sich nämlich einer weiteren Forschungsfrage.

Quantensysteme sind sensibel und bereits kleinste Störungen zerstören die für Quantencomputing wertvolle Quanteninformation. Effektiv bedeutet dies, dass die Ergebnisse einer Berechnung bereits nach wenigen Rechenoperationen verrauschen und unbrauchbar werden. Wie stark das Rauschen beziehungsweise die Fehlerquote jedoch sein darf, damit ein Quantencomputer brauchbare Ergebnisse liefert, ist unklar.

Die Google-Forscher behaupten in ihrer neusten Veröffentlichung nun, die Bedingungen besser verstanden zu haben, unter denen ein Quantencomputer einen Vorteil gegenüber klassischen Systemen liefern könnte. In seinem Experiment hat das Team das Rauschen des Quantenprozessors stufenweise erhöht – sie störten die Qubits also absichtlich, um herauszufinden, wann der Chip seine Quantenüberlegenheit verliert.

Dabei verwendeten sie eine neue Version des Sycamore-Prozessors mit 67 supraleitenden Qubits. Sie fanden heraus, dass eine Verringerung der Fehlerquote dazu führt, dass die Ergebnisse der Quantensimulation nicht mehr von einem klassischen Supercomputer simuliert werden konnten. Sie schätzen, dass ein Supercomputer 10 Billionen Jahre bräuchte, um die gleiche Rechnung auszuführen.

Konkret beobachteten sie zwei Phasenübergänge. Letztere bezeichnen die Übergänge eines Systems von einem Zustand in einen anderen, in dem es sich deutlich anders verhält, wie beim Wechsel von Wasser zu Eis. In der rauscharmen Phase sind die Berechnungen so komplex, dass Quantencomputer klassischen Berechnungen überlegen sind.

Für perfekte Quantencomputer sei es einfach, die Schwelle zu identifizieren, ab der sie klassischen Computern überlegen sind, erklärt Wölk. Bei fehlerbehafteten Quantencomputern, wie sie heute existieren, sei dies nicht so einfach. Mit dem Phasenübergang hätten die Google-Forscher solch eine Schwelle finden können. "Die Ergebnisse helfen, die Qualität realer Quantenhardware einzuschätzen und ob es überhaupt möglich ist, einen Quantenvorteil mit realer existierender Quantenhardware zu erzeugen." Insgesamt hält Wölk die Ergebnisse der aktuellen Publikation im Gegensatz zu den Ergebnissen von 2019 daher für sinnvoll. "Sie helfen uns einzuschätzen, wie weit die reale Quantenhardware bereits ist", sagt sie.

In den letzten Jahren fokussierten sich Quantenforscher darauf, die Fehlerrate ihrer Qubits zu reduzieren und aufgetretene Fehler zu korrigieren. Die Ergebnisse von Google zeigen nun, dass ein Quantenvorteil auch ohne Fehlerkorrektur möglich sein könnte. "Hiermit wird zementiert, dass Quantencomputer klassischen Computern auch dann überlegen sind, wenn sie nicht perfekt sind", sagt Wilhelm-Mauch. "Allerdings ist es weiterhin ein synthetischer Benchmark, der sich nicht ohne weiteres in eine echte Anwendung übersetzen lässt." Ob sich Quantenüberlegenheit also auch bei anderen – nützlicheren – Probleme zeigt, ist also noch unklar.

(spa)