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Googles Augmented Reality: Tango ist tot, es lebe ARCore

Jan-Keno Janssen
Googles Augmented Reality: Tango ist tot, es lebe ARCore

Project Tango war gestern: Mit dem neuen ARCore will Google sich dem Wettbewerb mit Apples ARKit stellen.

(Bild: Google/Project Tango)

Da hat Google offenbar Muffensausen vor Apples ARKit bekommen: Statt auf die ambitionierte Augmented-Reality-Plattform Tango legt Google seinen Fokus nun auf das neue, technisch einfachere ARCore-System.

Google vollzieht bei Augmented Reality (AR) einen Strategiewechsel. Der US-Konzern mottet seine ambitionierte AR-Plattform Tango ein und schickt das neue ARCore [1] ins Rennen, das sich nicht nur hinsichtlich des Namens an Apples ARKit [2] orientiert. Wie bei Apple und iOS ist ARCore mit dem Betriebssystem Android verzahnt und soll die Entwicklung von AR-Anwendungen mit Android Studio sowie den 3D-Entwicklungsumgebungen Unity und Unreal Engine erleichtern.

Dabei verzichtet Google auf besondere Hardware wie Tiefensensor oder zusätzliche Kameras, die bei Tango eine Rolle gespielt haben. ARCore greift lediglich auf die Standard-Hardware des Smartphones zurück. Zunächst werden die Smartphones von Samsungs Galaxy-S8-Familie mit Android 7 und Googles eigene Pixel mit Android 8 [3] unterstützt. Bis Winter soll die Plattform auf 100 Millionen Geräten verfügbar sein, hofft Google.

ARCore soll gegenüber ARKit mehr Funktionen bieten: So kann ARKit ausschließlich horizontale Ebenen erkennen (Tische, Fußböden etc.), während ARCore auch vertikale Ebenen sehen soll. Außerdem unterstützt Google die Integration von 3D-Objekten, die mit den einfach zu bedienenden VR-Anwendungen Tilt Brush und Blocks gestaltetet wurden.

Google hatte mit Tango bereits ein AR-System in der Entwicklung – und damit einen großen Vorsprung gegenüber Apple: Tango war bereits seit 2013 für Entwickler nutzbar, das Apple-System gibt es erst seit der Veröffentlichung der Beta von iOS 11, das im Herbst erscheinen soll. Außerdem war Tango technisch deutlich ambitionierter: Zusätzlich zur RGB-Kamera des Smartphones kommen bei Tango ein ein Time-of-Flight-Tiefensensor sowie eine Weitwinkel-Kamera zum Einsatz.

Warum Google sich nun an das einfachere Apple-System anpasst, könnte zwei Gründe haben: Einmal hat kaum ein Hersteller ein Tango-Smartphone bauen wollen. Lediglich zwei Geräte sind bisher auf den Markt gekommen: Zuerst das klobige Lenovo Phab2Pro [4] und vor wenigen Wochen das Zenfone AR von Asus. Entsprechend wenige Tango-Apps gab es – und die existierenden hatten meist nur zwei- oder dreistellige Download-Zahlen.

Der zweite Grund könnte das überraschende Interesse der Entwicklergemeinde an ARKit sein: Seit der Vorstellung des Apple-Systems auf der Entwicklermesse WWDC wimmelt es zum Beispiel auf YouTube vor ARKit-Demo-Videos [5] von Entwicklern.

Mit Googles Fokus auf ARCore dürfte Tango zumindest als Plattform tot sein. Offenbar unterstützt ARCore aber optional zumindest die zusätzliche Tango-Hardware.

Richtig Fahrt dürfte das Thema Smartphone-AR aufnehmen, wenn Apple das iPhone 8 vorstellt (voraussichtlich am 12. September). Gerüchten zufolge werden die neuen AR-Funktionen im Fokus der Präsentation stehen. Vor allem wird interessant, ob die Hersteller es schaffen, sinnvolle Anwendungsbereiche der Technik zu zeigen – und nicht nur Spielereien. (jkj [6])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3817226

Links in diesem Artikel:
[1] https://developers.google.com/ar/
[2] https://www.heise.de/news/ARKit-Schlaegt-Apple-Google-3771409.html
[3] https://www.heise.de/news/Android-8-ist-da-Das-O-steht-fuer-Oreo-3796667.html
[4] https://www.heise.de/news/Angetestet-Lenovos-AR-Smartphone-mit-Google-Tango-3234482.html
[5] https://www.youtube.com/results?search_query=arkit
[6] mailto:jkj@ct.de