Grand Challenge: Neustart für unbemannte Autos

Die US-Militärbehörde DARPA veranstaltet erneut ein Rennen autonomer, computergesteuerter Fahrzeuge in der kalifornischen Wüste.

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Von
  • Erich Bonnert

Die US-Militärbehörde DARPA veranstaltet erneut ein Rennen autonomer, computergesteuerter Fahrzeuge in der kalifornischen Wüste.

23 Roboterfahrzeuge treten in diesen Minuten an, um als Schnellster eine rund 250 Kilometer lange Strecke in der kalifornischen Mojave-Wüste zurück zu legen. Start und Ziel liegen in Primm, einem Kasino-Städtchen im Grenzgebiet zwischen Nevada und Kalifornien, zirka 50 Kilometer von Las Vegas entfernt. Die Fahrt geht durch weitgehend unberührtes, teilweise bergiges Wüstenterrain. Die Fahrzeuge müssen dabei Gräben, Kakteenwälder und ausgetrocknete Flussbetten ebenso überwinden wie Geröllfelder und Serpentinenpfade. Die Route -- besser: ein Korridor -- ist den Fahrrobotern durch GPS-Wegemarken vorgegeben, die den Teilnehmern erst kurz vor dem Start auf einer CD-ROM ausgehändigt werden. Jede menschliche Hilfestellung ist untersagt. Das Rennen startet am Samstagmorgen um 6.30 Uhr Ortszeit (15.30 Uhr MESZ). Der Sieger muß nach spätestens 10 Stunden ins Ziel kommen, denn mit Einbruch der Dunkelheit wird abgebrochen. Die DARPA behält sich jedoch vor, den Wettbewerb eventuell am Sonntag fortzusetzen.

Die Autos starten im Abstand von fünf Minuten und müssen dann selbstständig navigieren und manövrieren. Bei den Vorausscheidungen zum Grand Challenge traten rund 40 Fahrzeuge auf einer Rennstrecke in Südkalifornien an. Viele der Gefährte sind Forschungsprojekte aus technischen Universitäten. Unter anderem schicken die Elite-Institute Carnegie Mellon, Cornell, Princeton und Stanford ihre besten Tüftler ins Feld. Viele der teilnehmenden Teams sind jedoch reine Robotik-Enthusiasten, die versuchen, ihre Elektronik-, Programmierer- oder Mechanikerkenntnisse zu kombinieren. Die Teilnahmebedingungen des US-Verteidigungsministeriums lassen nur US-Bürger als Teilnehmer zu.

Der erste Wettbewerb dieser Art im März 2004 verlief ergebnislos. Damals starteten 15 Fahrzeuge, keines konnte jedoch das Rennen beenden. Die DARPA hatte ein Preisgeld von einer Million Dollar für den schnellsten Wüstenflitzer ausgesetzt. Die meisten Roboterautos kollidierten allerdings schon in der Startzone oder blieben kurz danach liegen, was den Veranstaltern herbe Kritik einbrachte: Der Grand Challenge wurde von Beobachtern und Median überwiegend als Fehlschlag klassifiziert. Am weitesten kam der Hummer-Geländewagen der favorisierten Carnegie Mellon University (CMU), er blieb nach rund 12 Kilometern im unwegsamen Gelände stecken.

Trotzdem ist DARPA-Direktor Anthony Tether bei diesem zweiten Anlauf besonders optimistisch. Er hat dieses Mal mit zwei Millionen Dollar sogar die doppelte Gewinnsumme ausgelobt. Das Verteidigungsministerium soll nach dem Willen des US-Kongresses bis 2015 eine Flotte autonom steuernder Fahrzeuge aufbauen, um bei gefährlichen Einsätzen weniger Menschenleben zu riskieren. Der Verlauf der Qualifikation gibt Tether bisher recht. Die 23 Finalisten absolvierten teilweise mehrere fehlerfreie Testfahrten. Dabei mussten die Roboter auf drei bis vier Kilometer langen Strecken mehrere für Wüstengelände typische Standardprüfungen bestehen, wie etwa die Aufgabe, einen mit Verkehrspylonen abgesteckten, recht engen Slalomkurs zu durchfahren. Geparkten Autos mußten sie ebenso ausweichen wie Reifenstapeln, und einen aus Wellblech errichteten Tunnel mussten sie durchfahren ohne anzustoßen.

Zu den großen Favoriten gehören der "Vorjahresbeste" von Carnegie Mellon, der rote Hummer namens Sandstorm sowie "Stanley", ein VW Touareg, den die Stanford-Universität ins Rennen schickt. Diese beiden Teams verfügen nicht nur über die meiste Forschungserfahrung in diesem Robotik-Zweig, sie gelten auch als die finanzstärksten Teilnehmer. CMU verfügt über ein Forschungs-Know-how von Jahrzehnten, das Robotikinstitut in Pittsburgh ist mit einem Jahresetat von 50 Millionen US-Dollar und Hunderten von Wissenschaftlern ausgestattet. Boeing, Caterpillar und Intel gehören zu Sandstorms Sponsoren. Angeblich hat Flugzeugbauer Boeing eine unbegrenzte Zahl von Ingenieursstunden zur Vorbereitung auf das Rennen zugesagt. Der Sandstorm verfügt über drei Entfernungsradarsysteme, Lasersensoren und ein Stereo-Kamerasystem. Diese Bildsignale und Entfernungsdaten werden in Echtzeit von zwei Itanium-Prozessoren zu stets aktualisierten Karten verarbeitet, aus denen ein Optimierungsprogramm die beste Route auswählt. CMU hat noch ein zweites Fahrzeug im Rennen: Highlander ist ein Hummer neuerer Bauart mit Kohlenstofffaser-Karosserie. Der bildgebende Aufbau ist sehr ähnlich, der Navigations-Computer basiert allerdings auf sieben Pentium-M-Prozessoren.

Stanfords Vehikel wurde nicht nur von VW gestiftet, sondern das Elektronik-Forschungslabor des Autobauers in Palo unterstützt die Stanley-Bastler nach Kräften. Pikantes Detail: Stanfords Teamchef Professor Sebastian Thrun war zuvor jahrelang Forscher bei CMU und hat noch bis 2003 an Sandstorm mitgearbeitet. Stanley rechnet ebenfalls mit Pentium-M-Chips. Sechs Stück der stromsparenden Intel-CPUs weisen dem Touareg-Geländewagen den Weg. Die Venture-Capital-Firma Mohr Davidow hat sich mit einer ungenannte Summe an der Fahrzeugentwicklung beteiligt. Sowohl Stanley als auch die beiden CMU-Boliden haben mehrere fehlerfreie Trainingsläufe absolviert und unterschieden sich bei Rundenzeiten von etwa zehn Minuten nur um wenige Sekunden.

Als Geheimtipp gilt hingegen das Team DAD, eine Gruppe von Hobby-Bastlern aus dem Silicon Valley um den Programmierer David Hall. Der Toyota Tundra-Geländewagen verfügt über ein Bildverarbeitungssystem aus zwei DSP-Chips von Texas Instruments. Die Signalprozessoren vom Typ 6416 sind mit 1,1 Gigahertz übertaktet, verrieten die DAD-Tüftler. Dazu kommt ein weiterer TI-DSP für die Servo-Steuerung des Autos. Alle Platinen sind eigens für das Vehikel handgefertigt, die Kommunikation zu den Servo-Motoren erfolgt über CANbus-Leitungen. Die enorme Rechengeschwindigkeit der TI-Chips erlaubt dem DAD eine hohe Radarreichweite und somit ein vorausschauendes Fahren mit relativ hohem Tempo, erläuterte Hall die Vorzüge des Maßschneiderns. Der flinke DAD-Toyota gehörte bei allen vier Qualifikationsläufen zur Spitzengruppe. (Erich Bonnert) (hps)