Grünes Label für Atomkraft: Bundesregierung stellt sich gegen EU-Taxonomie
Nachdem die EU-Kommission auch im letztgültigen Taxonomie-Vorschlag Atomkraft als nachhaltig einstuft, berät die Bundesregierung nun Konsequenzen.

Das Bundeskabinett während seiner ersten Sitzung im Dezember 2021.
(Bild: Bundesregierung / Kugler)
"Wir haben wiederholt deutlich gemacht, dass wir die Einbeziehung von Atomenergie in die Taxonomie für falsch halten." Das sagte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, nachdem die EU-Kommission nun die endgültige Fassung der Taxonomie veröffentlicht hat. Die Bundesregierung werde jetzt beraten, wie sie mit dem Beschuss der EU-Kommission umgehe. Auf das Thema Erdgas geht sie in einer Reaktion auf den Taxonomie-Vorschlag nicht weiter ein.
Die am heutigen Mittwoch von der EU-Kommission veröffentlichte endgültige Fassung für eine Einordnung von Investitionen in Energietechnik sieht weiterhin vor, Atomkraft und Erdgas unter Auflagen als nachhaltig einzustufen. Nach Konsultationen von Experten, EU-Mitgliedsstaaten und EU-Parlament hat sie gegenüber dem am Silvesterabend vorgelegten Taxonomie-Vorschlag unter anderem technische Screening-Kriterien sowie Offenlegungs- und Überprüfungsanforderungen angepasst.
Die Bundesregierung habe schon im Januar deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht Deutschland den ergänzenden delegierten Rechtsakt ablehnen sollte, sollte er in wesentlichen Punkten unverändert bleiben. "Die für uns notwendigen Veränderungen sehen wir nicht", sagte Habeck. Atomenergie sei risikobehaftet und teuer; auch neue Reaktorkonzepte wie Mini-Reaktoren brächten ähnliche Probleme mit sich und können nicht als nachhaltig eingestuft werden.
"Taxonomie wird stark beschädigt"
"Wie eine Reihe anderer EU-Mitgliedstaaten lehnt die Bundesregierung die Aufnahme von Atomenergie in die Taxonomie klar ab", ergänzte Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke. Abgesehen von den Risiken und den Kosten dauerten Planungs- und Bauprozesse viel zu lange, als dass Atomkraft noch einen Beitrag zum Ziel der Klimaneutralität leisten könnte. "Atomkraft als nachhaltig zu bezeichnen, widerspricht dem Nachhaltigkeitsverständnis der Verbraucher und Verbraucherinnen in Deutschland und in anderen europäischen Mitgliedstaaten", meinte Lemke. Die Taxonomie als Ganzes werde stark beschädigt und könne die Klimaziele gefährden.
Die EU-Kommission habe die von den Mitgliedstaaten und der Plattform für nachhaltige Finanzen geäußerte Kritik zurückgewiesen, kritisiert die Bundesregierung. Jede Milliarde, die durch diesen Kommissions-Beschluss zusätzlich in die Atomkraft fließt, fehle für Erneuerbare Energien. "Daher werden wir uns auch dafür einsetzen, dass der Standard für europäische grüne Anleihen, der gerade auf EU-Ebene verhandelt wird, Atomkraft ausschließt", schreibt die Regierung.
EU-Parlament und Mitgliedsstaaten im EU-Rat haben nun vier Monate Zeit, die Taxonomie zu prüfen. Sie können eine Verlängerung von zwei Monaten beantragen. Der EU-Rat kann mit 72 Prozent, also mit mindestens 20 Mitgliedsstaaten Einwände erheben. Im EU-Parlament reicht eine einfache Mehrheit für Einwände.
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(anw)