Grünes Label für Atomkraft: Österreich klagt gegen EU-Kommission
Österreich klagt dagegen, dass die EU-Kommission in einem delegierten Rechtsakt Atomkraft bei Investitionen als klimafreundliche Technik berücksichtigen will.
Die österreichische Regierung geht wie erwartet gegen die jüngste Fassung der EU-Taxonomie vor das Gericht der Europäischen Union. Sie stört sich insbesondere daran, dass die EU-Kommission in einem delegierten Rechtsakt zur Jahreswende 2021/22 die Atomkraft mit in die Verordnung zur klimafreundlichen Regulierung von Finanzströmen aufgenommen hat, und legte eine Nichtigkeitsklage gegen die EU-Kommission ein. Luxemburg habe angekündigt, sich der Klage anzuschließen, hieß es am Montag aus Wien.
Die Kommission habe eine weitreichende politische Entscheidung getroffen und damit ihre Kompetenzen überschritten, erläuterte die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Es sei ihr wohl darum gegangen, starke fossile und nukleare Interessen zu berücksichtigen. Aber wer Atomkraft einen grünen Anstrich verleihe, bringe den nächsten Generationen große Umweltprobleme, das betreffe unter anderem den Uran-Abbau und die Endlagerung des Atommülls, ein Problem, das zudem noch nicht gelöst sei.
Damit werde ein zentrales Kriterium der Taxonomie nicht erfüllt, sagte Gewessler. Laut dieser dürfe eine wirtschaftliche Tätigkeit keinen erheblichen Schaden in anderen Bereichen anrichten, um als nachhaltig eingestuft werden zu können. Sie dürften auch woanders keine Schäden anrichten, wie sie durch die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima zu sehen seien.
Taxonomie als solche gut
Gegen die Taxonomie als solche habe Österreich nichts einzuwenden, es sei ein transparentes Instrument für Investitionen in klimafreundliche wirtschaftliche Aktivitäten, sagte Gewessler. Es geht um den Versuch, Atomkraft in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch die Hintertür grünzuwaschen. Das sei verantwortungslos und unvernünftig.
Dabei sei Atomkraft viel zu teuer und auch viel zu langsam, um in der akuten Klimakrise einen wesentlichen Beitrag leisten zu können. Ebenso schade Erdgas dem Klima. Wenn diese Techniken gefördert würden, verzögere sich der Umbau der Wirtschaft in ein wirklich klimaneutrales System, erläuterte Gewessler.
Die Rechtsanwältin Simone Lünenbürger, die Österreich vor dem EU-Gericht vertritt, erläuterte, die Kommission habe mit ihrem Rechtsakt gegen europäisches Primärrecht und die Taxonomie selbst verstoßen. In der Taxonomie sei festgelegt, dass Wasser und Meeresressourcen, die Kreislaufwirtschaft, Biodiversität und Ökosysteme geschützt werden müssen. Die Aufgabe der EU-Kommission sei es, diese Anforderungen zu berücksichtigen. Auch die Feststellung der Kommission, Atomkraft und Erdgas seien "Übergangstechnologien", verstoße gegen das Unionsrecht.
Verfahren könnte zwei Jahre dauern
Die Taxonomie soll am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Die Klage habe keine aufschiebende Wirkung, sagte Lünenbürger. Österreich strebe an, dass sich die Rechtslage ändere, also dass das Gericht die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas als unzulässig erachtet. Die Erfolgsaussichten in Klagen gegen die EU-Kommission seien im Durchschnitt nicht gut, aber Österreich habe gute Argumente. Es könne damit gerechnet werden, dass das Verfahren in diser ersten Instanz etwa zwei Jahre dauern wird.
Die EU-Kommission hatte ihren delegierten Rechtsakt zur Taxonomie am Silvesterabend 2021 vorgelegt, im Laufe des Jahres hatten weder das EU-Parlament noch der EU-Rat dagegen Einspruch erhoben. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace legte Mitte September gegen das grüne Label für Atomkraft Widerspruch ein, kurz darauf folgten weitere Umweltschutzorganisationen mit dem Einspruch dagegen, Erdgas in die Taxonomie aufzunehmen.
(anw)