Grünes Licht für die 2. Lesung der Softwarepatentrichtlinie

Das EU-Parlament hat dem Ministerrat die "kleinen Fehler" bei der Verabschiedung seiner Position verziehen, der Lobbykampf um die Direktive geht nun in die entscheidenden Runden.

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Das EU-Parlament hat seine Einwände gegenüber dem Zustandekommen des "Gemeinsamen Standpunkts" des EU-Rates zur geplanten Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" fallen gelassen. Der Rechtsausschuss hatte zunächst darauf bestanden, die Protokolle der entscheidenden Ratssitzung Anfang März zu prüfen. Einige Abgeordneten hatten gemeinsam mit Softwarepatentkritikern den Verdacht gehegt, dass die Luxemburger Ratspräsidentschaft Einwände gegen die heftig umstrittene Position aus den Reihen der Mitgliedsstaaten nicht beachtet und somit die Geschäftsordnung verletzt habe. Laut einem Parlamentssprecher hat der Rechtsausschuss nun aber beschlossen, die "kleinen irrelevanten Fehler" nicht weiter zu beachten.

"Wir gehen jetzt in die 2. Lesung", erklärte Eva Lichtenberger, eine der prominentesten Gegnerinnen des Ratsbeschlusses im Rechtausschuss, gegenüber heise online. Für die Vorbereitung der Plenarabstimmung hat die Österreicherin aber zumindest noch vom Rat eingefordert, dass den Volksvertretern die Zusatzerklärungen der acht "Dissidenten" im Gremium der nationalen Regierungsvertreter in kompletten Übersetzungen vorgelegt werden. "Es ist schwer nachvollziehbar, dass sich mehrere Minister in zentralen Punkten von dem Ratsstandpunkt distanzieren, dann aber doch zustimmen", verweist die Grüne auf die widersprüchliche Situation im Rat. "Die Abgeordneten müssen wissen, dass der Beschluss dort nicht einstimmig war".

Das Bundeswirtschaftsministerium hat derweil noch einmal seine Zustimmung zur Ratsposition verteidigt, obwohl diese sich im klaren Widerspruch zu einem einstimmig gefassten Bundestagsbeschlusses befindet.Die rein formale Verabschiedung eines bereits beschlossenen Textes sei "wegen der Sprachenvielfalt in der EU absolut üblich, geradezu zwingend", lässt Ministeriumssprecher Thomas Zuleger aufgebrachte Softwarepatentgegner in einem weiteren standardisierten Antwortschreiben seines Hauses wissen. Die deutsche Softwarebranche habe sich zudem "im bisherigen Rechtsrahmen mit Computerprogrammpatenten wirtschaftlich gut entwickelt", versucht Zuleger die Gemüter zu beschwichtigen. Man solle doch "die Kirche im Dorf lassen". "Wir gehen in Europa ausdrücklich nicht den in der Tat eher fortschritts- und vor allem mittelstandsfeindlichen Weg wie in den USA", betont er weiter. In diesem Punkte würden sich die beiden Rechtssysteme deutlich unterscheiden. Ein aktueller Bericht für das EU-Parlament kommt allerdings zur gegenteiligen Auffassung.

In Brüssel verschärft sich gleichzeitig erneut die Lobbyschlacht angesichts der nahenden 2. Lesung, die voraussichtlich noch vor der Sommerpause stattfindet. "Die Lobbyisten schleichen wieder durchs Gelände", berichtet Lichtenberger. Oft seien aber nur "magere Argumente" wie die Saga vom "kleinen Erfinder" zu hören, der geschützt werden müsse. "Dabei ist doch schon aus den traditionellen Technikbereichen bekannt, dass den Erfolg mit Patenten fast nur die Großen haben", sagt die Grüne. Eine Wiederholung dieser Geschichte brauche man nicht auch noch im Softwarebereich. Lichtenberger ist daher klar, dass in der kommenden Abstimmung "die Bedenken aus der 1. Lesung wieder auf den Tisch müssen". Ansonsten sollte auf die Richtlinie im Interesse der mittelständischen Wirtschaft lieber ganz verzichtet werden.

Einige neue Stimmen versuchen sich in Brüssel momentan allerdings auch Gehör zu verschaffen und setzen dabei auf Ausdrucksformen wie Weblogs. Eine Lobby der Autoindustrie unter den Kürzel CLEPA machte sich jüngst etwa für die Ratsposition stark, da nur diese die Rolle Europas als "führender weltweiter Innovationsmotor" stärke sowie Arbeitsplätze und den Wissensaustausch stärke. Ein Blogger aus dem Lager der Softwarepatentkritiker reagierte prompt mit einer Widerlegung der aufgestellten Behauptungen. Dem Rat den Rücken gestärkt hat zudem der Autofabrikant Volvo. Zahlreiche Neuerungen im Automobilbereich wie etwa Kollisionswarnsysteme seien softwarebasiert, sodass Computerprogramme eines gesonderten Patentschutzes bedürften, so die Argumentation der Schweden. Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) wirft Volvo dagegen vor, vergeblich eine Reihe besonders "breiter und trivialer Patente" im Softwarebereich beantragt zu haben, und rät prompt vom Kauf von Wagen der Marke ab.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)