Softwarepatente: EU-Kommission weist Richtlinienneustart offiziell zurĂĽck

Kommissionspräsident Barroso hat Parlamentspräsident Borrell wissen lassen, dass ein Wiederaufrollen des Verfahrens rund um die umstrittene geplante Gesetzgebung nicht in Frage kommt.

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Im hitzigen Verfahren rund um den Erlass einer EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" wird es keinen Neustart geben. Dies hat der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso in einem Schreiben an Josep Borrell Fontelles, den Präsidenten des EU-Parlaments, klar gemacht. Barroso weist darin die Bitte der Volksvertreter zur Vorlage eines neuen Entwurfs für eine Softwarepatentrichtlinie entschieden zurück. Stattdessen soll das Procedere, das für den Beschluss der Direktive noch aussteht, baldmöglichst über die Bühne gehen.

Barroso erwarte, dass "an dieser Stelle des Mitentscheidungsverfahrens" die Richtlinie so schnell wie möglich "formalisiert" werde, zitierte ein Kommissionssprecher im Gespräch mit heise online die Kernpassage des knappen Briefes. Die Kommission geht dabei davon aus, dass im EU-Rat eine generelle Übereinstimmung herrscht und die Entscheidung über den Standpunkt des Gremiums der Regierungsvertreter der Mitgliedsstaaten im Mai bereits gefallen ist. Dass die Position der Minister von Anfang an auf wackeligen Beinen stand, inzwischen in den eigenen Reihen heftig kritisiert wird und nach dem offiziellen Beitritt der neuen EU-Mitgliedsstaaten nicht mehr als mehrheitsfähig gilt, thematisiert Barroso mit keinem Wort. Für ihn ist der nächste Schritt die 2. Lesung des Richtlinienvorschlags im EU-Parlament.

Noch hat der Rat seinen Standpunkt allerdings nicht offiziell verabschiedet. Erst Ende vergangener Woche hat die luxemburgische Ratspräsidentschaft das heiße Eisen nach bereits mehrfachen Verschiebungen erneut wieder von der Tagesordnung des Treffens der Landwirtschaftsminister am heutigen Montag heruntergenommen. Schließlich gibt es inzwischen auch Aufforderungen der nationalen Parlamente in Deutschland, den Niederlanden und in Spanien an ihre jeweiligen Regierungen, den Kurs des Rates nicht länger in Brüssel zu stützen.

Bedenken, dass das EU-Parlament seine weit reichenden Änderungsvorschläge angesichts der konträr laufenden Ratsposition in einer 2. Lesung nur schwer verteidigen könnte, teilt die Kommission nicht. "Es ist sehr einfach, dabei Änderungen vorzunehmen", erklärte der Sprecher gegenüber heise online. "So funktioniert die Demokratie in der EU." Korrekturen der Volksvertreter brauchen bei einer 2. Lesung eine absolute Mehrheit, die sich bei strittigen Fragen naturgemäß nicht einfach erreichen lässt. Jede Enthaltung sowie die Nichtanwesenheit von Abgeordneten zählt zudem als Stimme für den Ratsvorschlag. Theoretisch könnte das Parlament die Ratsposition auch komplett zurückweisen. Dann gäbe es keine Richtlinie.

Gegen den Neustartantrag des EU-Parlaments, der vielfach als Ausweg aus der vertrackten Situation im EU-Rat angesehen wurde, hatte hauptsächlich Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy opponiert. Am Wochenende war in Brüssel zu hören gewesen, dass die Generalkommission Informationsgesellschaft prinzipiell die Ausarbeitung eines komplett neuen Richtlinienentwurfs begrüßt hätte. Davon wollte der irische Chef der Binnenmarktabteilung aber nichts wissen. Er hat sich mit seinem Konfrontationskurs durchgesetzt, sodass in der schwelenden Auseinandersetzung mit dem EU-Parlament nun die Fronten verhärtet erscheinen. Der französische EU-Abgeordnete Alain Lipietz hatte jüngst davor gewarnt, dass das Parlament eine Ablehnung seines Neustartwunsches als "Beleidigung" auffassen würde.

Auf jeden Fall dürfte die Zurückweisung im Lager der Softwarepatentgegner neuen Kampfgeist wecken. "Dass der Möchtegern-Napoleon und die Microsoft-Marionette in der Kommission so weit gehen, ist erschreckend", erklärte etwa Florian Müller, Leiter der Kampagne NoSoftwarePatents.com in einer ersten Reaktion auf die überraschende Nachricht. "Die Demonstration vorletzte Woche in Brüssel gegen die Bananen-Union hatte also ein geradezu prophetisches Motto." Müller ruft den EU-Rat jetzt dazu auf, für die Demokratie einzustehen und nächsten Montag auf der Sitzung des Wettbewerbsrates die Verhandlungen über den bisherigen Standpunkt neu zu eröffnen.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)