Guru, Lady, Digerati? Esther Dyson wird 70

Als Kämpferin für ein freies Internet, Publizistin und Investorin hat sich Esther Dyson hervorgetan. Eine Würdigung der Schweiz-Amerikanerin zu ihrem 70er.

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Esther Dysonin Jubelpose

Esther Dyson im Jahr 2018

(Bild: Christopher Michel CC BY 2.0)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Netz-Guru, First Lady des Internet, libertäre Kapitalistin, Digerati, gar "Herrscherin ohne Land, Boden und Zeit" und nun auch Mutter Theresa des guten Lebens: Für Esther Dyson gibt es viele Bezeichnungen. Sie selbst sieht sich schlicht als Unternehmerin und Investorin. Am Mittwoch wird Esther Dyson 70 Jahre alt.

Esther Dyson im August 2008

(Bild: Bob Lee CC BY 2.0)

Mit ihrer Firma EDVenture Holdings produzierte sie zunächst Newsletter, später einflussreiche Konferenzen. Schließlich erklärte sie in einem Buch die Spielregeln der digitalen Gesellschaft und war Chefin der ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, die die Vergabe von Domainnamen und IP-Adresse global koordiniert). Mit dem Fall der Mauer investierte die Russisch sprechende Dyson in osteuropäische Startups.

Esther Dyson kam als Tochter der Schweizer Mathematikerin Verena Huber-Dyson und des britischen Physikers Freeman Dyson am 14. Juli 1951 in Zürich zur Welt. Ihre Eltern zogen nach Amerika; der Vater lehrte in Princeton, die Mutter zog nach der Scheidung 1958 an die Westküste. Esther blieb beim Vater und wuchs mit fünf Schwestern und dem Bruder George auf. Sie studierte Ökonomie in Harvard und schrieb für die Studentenzeitung Harvard Crimson.

Nach dem Studium ging die Frau als Fakten-Checkerin zur Zeitschrift Forbes. 1982 folgte Arbeit als Analystin bei Rosen Research, wo sie für den Rosen Electronic Letter schrieb. Ein Jahr später kaufte sie die Firma Ben Rosen ab, der dann seinerseits lange Jahre Vorsitzender des Compaq-Aufsichtsrates werden sollte. Aus Rosen Research wurde so EDventure Holdings.

Der monatlich erscheinende Letter wurde in "Release 1.0" umbenannt und erschien bis zum Jahre 2006 unter der Leitung Dysons. Der Verlag O'Reilly kaufte den Newsletter, und nannte ihn in Release 2.0. Alle alten Ausgaben stehen online zur Verfügung. Sie sind bis heute eine hochinteressante Lektüre.

Mit dem Fall der Mauer startete Esther Dyson einen weiteren wichtigen Newsletter, "Rel-EAST", im Untertitel "East-West High-Tech Business Report" genannt. Daneben entwickelte die vielseitige Unternehmerin eine Konferenz-Serie namens PC-Forum. Die Konferenz über alles, was die junge PC-Industrie bewegte, lief von 1984 bis 1992 und wurde dann in High-Tech Forum, später in East-West High-Tech Forum umbenannt.

Parallel zum Newsletter und den Konferenzen begann Esther Dyson über ihre EDVenture Holdings in jene Firmen zu investieren, die auf ihren Konferenzen neue Ideen vorstellte. Die Liste ihrer Investments ist lang und unvollständig. Den größten finanziellen Erfolg erzielte sie wohl mit Flickr, wo sie als begeisterte Schwimmerin ein sehenswertes Portfolio von Schwimmbädern und Freunden aufgebaut hat.

Als größtes Investment-Abenteuer bezeichnete Esther Dyson indes das Internet und den Kampf um die Freiheiten des Internet, der mit ihrem Engagement bei der Electronic Frontier Foundation begann. Zum 30. Geburtstag der EFF findet in in wenigen Tagen ein Fireside-Chat der Gründer dieser Organisation statt. Das Interesse an der Zusammenkunft Dysons mit Wozniak, Kapor und Gilmore ist schon jetzt groß.

Ihre Verbindung mit dem Internet führte sie zur Veröffentlichung eines Buches namens Release 2.0/2.1, in dem sie die Internet-Gesellschaft und ihre Spielregeln einem größeren Publikum zu erklären versuchte. Das Interview zum Buch Release 2.0/2.1 hat Telepolis veröffentlicht. Leider nicht mehr Online ist der allererste überhaupt geführte "Tagesschau-Chat" vom November 1997, in dem Esther Dyson vehement die Freiheit der Rede im amerikanischen Sinn verteidigte. Sie war damals Chefin der ICANN, dieser "Weltregierung des Internets". In Deutschland wurde Esther Dyson 2009 mit einem Preis geehrt, als sie als Backup-Astronautin für Charles Simonyi für den Raumfahrtflug trainierte.

Vor fünf Jahren gehörte sie zu einer Gruppe IT-Influencer, die sich gegen die Wahl Donald Trumps positionierten. Wer wissen möchte, was Esther Dyson heute bei ihrem Engagement für den recht abstrakten Begriff "Well-being" bewegt, dem sei das Interview über das Projekt Wellville empfohlen, das kurz vor der Wahl Joe Bidens zum US-Präsidenten aufgenommen wurde.

heise online wünschte der Jubilarin einen schönen Geburtstag!

(ds)