Guthaben österreichischer Prepaid-Handys dürfen nicht mehr verfallen

Branchenüblich waren bislang Vertragsbestimmungen, die einen Verfall der Rufnummer und des damit verbundenen Guthabens vorsehen, wenn 15 Monate lang kein neues Guthaben aufgeladen wird.

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Die Guthaben österreichischer Prepaid-Handys dürfen nicht mehr verfallen, entsprechende Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind nichtig. Dies hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) gegen tele.ring geführten Musterprozess entschieden. Branchenüblich waren in Österreich bislang Vertragsbestimmungen, die einen Verfall der Rufnummer und des damit verbundenen Guthabens vorsehen, wenn 15 Monate lang kein neues Guthaben aufgeladen wird. In Deutschland sagen beispielsweise die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von T-Mobile, dass nach einer so genannten Phonetime von (je nach Guthaben) 215 bis 365 Tagen das Guthaben bei Nichtnutzung deaktiviert wird; man hat dann noch 92 Tage Zeit, durch erneutes Aufladen auch das Restguthaben wieder zu aktivieren.

Klauseln zum Verfall eines Guthabens bei Prepaid-Handys stellen in Österreich aber eine "unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles gröblich benachteiligende" Vertragsbestimmung dar. Juristisch gesehen existiert diese Klausel für Nutzer der tele.ring-Wertkartentarife Twist Freenight und Twist 15 damit nicht. Lediglich die gesetzliche Verjährungsfrist von 30 Jahren kann der Netzbetreiber geltend machen. Die neue Rechtsprechung könnte sich auch auf Calling-Cards, die in der Regel ebenso einen Verfall des eingezahlten Guthabens vorsehen, auswirken.

Bei tele.ring ist man wenig erfreut, wird die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber anpassen. Die ursprüngliche Forderung der Konsumentenschützer auf Rückzahlung von Guthaben bei entsprechendem Wunsch des Kunden hatte tele.ring unter Verweis auf die mit der Einrichtung von Auszahlungssystemen in allen 1.000 Verkaufsstellen verbundenen Kosten von etwa 75.000 Euro abgelehnt -- und sich damit eine noch unangenehmere Rechtsprechung eingehandelt. Denn der VKI forderte tele.ring nun zur Streichung der Verfallsklausel auf und zog vor Gericht, als sich das Unternehmen weigerte. In erster Instanz verloren die Konsumentenschützer noch, die zweite Instanz (Oberlandesgericht Wien) schloss sich jedoch der Argumentation an, wonach die Verfallsbestimmung gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ABGB), überraschend und ungewöhnlich (§ 864a ABGB) sowie intransparent (§ 6 Abs 3 Konsumentenschutzgesetz) ist.

Die von tele.ring dagegen gerichtete Revision wurde vom OGH aber als nicht berechtigt eingestuft. Demnach liegt tatsächlich unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls eine gröbliche Benachteiligung der Kunden vor. Die weiteren vom Oberlandesgericht Wien festgestellten Rechtsverstöße überprüfte der OGH dann gar nicht mehr. "All jene von der Beklagten ins Treffen geführten Leistungen, die sie auch für denjenigen erbringt, der innerhalb der Gültigkeitsdauer [...] sein Guthaben nicht (zur Gänze) verbraucht, erbringt sie -- abstrakt und im Durchschnitt betrachtet -- in gleicher Weise für jene Kunden, die durch Aktivtelefonate ihr Guthaben verbrauchen. Diese Kunden müssen allerdings für die typischerweise durch Grundgebühren abgedeckten Leistungen, deren Entgelt in die Aktivgesprächsgebühren eingerechnet wurde, nicht im gleichen Ausmaß bezahlen, wie die vom Guthabensverfall betroffenen Kunden. Unter diesem Aspekt ist die beanstandete Verfallsbestimmung tatsächlich eine gröbliche Benachteiligung im Sinne von § 879 Absatz 3 ABGB", führt der Gerichtshof in der Begründung aus.

Für andere Unternehmen ist die OGH-Entscheidung nicht unmittelbar bindend, wirkt sich aber in der Praxis als Judikatur des OGH auf die Urteile aller Gerichte aus. Entsprechend hat der VKI bereits Unterlassungsaufforderungen an alle anderen Anbieter geschickt. Tele2 hat auf Anfrage von heise online angekündigt, die Entscheidung des OGH in seinen AGB zu berücksichtigen. Auch bei Mobilkom Austria und T-Mobile sind die Juristen bereits an der Arbeit, Details zu neuen Bestimmungen sind aber noch nicht bekannt. 3 hat erst vor kurzem ein Prepaid-Angebot auf den Markt gebracht und glaubt, mit der mehrmaligen Warnung der Kunden vor dem Verfall des Guthabens der Rechtslage genüge zu tun. Sollte 3 die Verfallsklausel nicht doch noch streichen, wollen die Konsumentenschützer einen neuen Prozess führen. Von One liegt noch keine Stellungnahme zur Causa vor.

T-Mobile verspricht seinen Klax-Kunden, bis zum Vorliegen einer Lösung keine Guthaben verfallen zu lassen. Auch bei tele.ring sind seit der Entscheidung der zweiten Instanz keine twist-Guthaben mehr verfallen. Welche neuen, juristisch kreativeren Vertragsklauseln sich die Rechtsabteilungen der sechs Mobilfunker einfallen lassen werden, darf mit Spannung erwartet werden. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)