HPE will Autonomy-Milliarden aus Mike Lynchs Nachlass holen

​Der betrügerische Verkauf der Softwarefirma Autonomy an Hewlett-Packard verfolgt den Firmengründer bis ins Grab. Es geht "nur noch" um 4 Milliarden Dollar.​

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Schild von Hewlett Packard Enterprise

(Bild: Tomas Bazant/Shutterstock.com)

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Hewlett Packard Enterprise hat nicht die Absicht, auf Schadenersatz in Milliardenhöhe zu verzichten, nur weil der Hauptgläubiger, Mike Lynch, im Tyrrhenischen Meer ertrunken ist. Das hat das Unternehmen gegenüber Reuters bestätigt. Die Forderung soll nun gegen den Nachlass betrieben werden. Lynch war Mitgründer und CEO des britischen Softwareunternehmens Autonomy, das 2012 von Hewlett-Packard übernommen wurde. HP zahlte zirka 11,7 Milliarden US-Dollar für die Firma, deren Spezialität Software zur Verarbeitung unstrukturierter Daten war. Nach der Übernahme stellte sich heraus, dass Autonomy seine Umsatz- und Renditezahlen jahrelang geschönt hatte.

In England läuft daher seit Jahren ein zivilrechtlicher Schadenersatzprozess gegen Ex-CEO Lynch und Ex-Finanzchef Sushovan Hussain. Hewlett-Packard hat sich inzwischen in HP und HPE (Hewlett Packard Enterprise) gespaltet, beide treten gemeinsam mit den juristischen Überresten Autonomys als Kläger auf. Strafrechtliche Untersuchungen in Großbritannien wurden eingestellt, doch wurde Hussain 2019 in den USA wegen Betruges zu fünf Jahren Haft verurteilt (USA v Sushovan Tareque Hussain, US-Bundesbezirksgericht für das Nördliche Kalifornien, Az. 16-cr-00462; 2020 bestätigt vom Berufungsgericht für den 9. US-Bundesgerichtsbezirk, Az. 19-10168). Daher konnte Hussain am Zivilprozess in London nicht teilnehmen.

Ursprünglich forderten die Kläger mehr als fünf Milliarden Dollar von den beiden Männern. Es folgte einer der aufwändigsten Prozesse der englischen Gerichtsgeschichte, alleine Lynchs Kreuzverhör dauerte 20 Verhandlungstage. Vergeblich versuchte er, die Verantwortung für die falschen Geschäftszahlen von sich ab- und seinem ehemaligen CFO zuzuschieben. 2022, nach 93 Verhandlungstagen, gab der englische Richter HP bei fünf von sechs vorgeworfenen Betrugsmethoden recht; dabei verwies der Richter gleich zweimal darauf, dass er die von HP geforderte Summe für überhöht hält. Angemessen sei wesentlich weniger ("considerably less").

2023 lieferte Großbritannien Lynch an die USA aus, wo ihm ein Strafprozess gemacht wurde. Im englischen Zivilprozess hat HP die Forderung gegen die betrügerischen Manager auf "nur noch" vier Milliarden Dollar reduziert. Ob eine Reduktion um 20 Prozent "wesentlich weniger" im Sinne des Gerichts ist, steht noch nicht fest.

Im Juni endete der US-Strafprozess um Betrug bei HPs Milliardendeal mit einem Freispruch für Lynch. (USA v Michael Richard Lynch, US-Bundesbezirksgericht für das Nördliche Kalifornien, Az. 18-cr-00577). Er durfte das Land wieder verlassen. Mitte August feierte der Brite seinen Freispruch mit Anwälten und Geschäftsfreunden auf seiner Superyacht Bayesian. In der Nacht zum 19. August zog ein unerwartet heftiges Unwetter auf und das vor Sizilien ankernde Schiff sank plötzlich. 15 der 22 Personen an Board konnten sich retten, darunter Lynchs Ehefrau. Leider konnten sieben Menschen nur noch tot geborgen werden: der Koch, einer von Lynchs Anwälten, dessen Gattin, Morgan-Stanley-Chairman Jonathan Bloomer (einst Chairman bei Autonomy), dessen Frau, sowie Mike Lynch und eine seiner beiden Töchter.

Lynch soll zwar sehr reich gewesen sein, vier Milliarden Dollar dürften bei seinem Nachlass aber kaum zu holen sein. Das macht eine Insolvenz der Hinterlassenschaft wahrscheinlich, die sowohl Vermögenswerte als auch Schulden des Erblassers umfasst. Neben HPE dürfte auch HP die Forderung weiter betreiben. Dazu ist das Management verpflichtet, solange die jeweiligen Aktionäre nicht anders entscheiden.

(ds)