Halbleiter-Lithografie: Verunsicherung spürbar

In der Halbleiterbranche herrscht offenbar keine Einigkeit auf dem Weg zu noch kleineren Strukturen.

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In der Halbleiterbranche herrscht offenbar keine Einigkeit auf dem Weg zu noch kleineren Strukturen. Verschiedene Lithografietechniken befinden sich in der Entwicklung und es ist zurzeit unklar, welche sich durchsetzen wird. In Zeiten leerer Kassen und immer teurerer Anlagen stellt diese Unsicherheit ein großes Geschäftsrisiko dar.

Wer den kostengünstigsten Fertigungsprozess beherrscht, hat auf dem Markt einen Preisvorsprung. Die erst 50 Jahre junge Hableiterbranche gehört zu den innovativsten Industriesparten; in kaum einem anderen Sektor kommen neue Techniken so schnell (und so wenig ausgereift) in der Serienproduktion zum Einsatz. Mit jeder weiteren Strukturverkleinerung steigt das Investitionsvolumen für die nötigen Maschinen, auch das Personal braucht kontinuierliche Weiterbildung. Die Konzentration in der Branche nimmt stetig zu, weil nur noch wenige Einzelfirmen Investionen von mehreren Milliarden Euro pro Fabrik (Fab) aus eigener Kraft aufbringen können.

Zurzeit stellt die Halbleiterindustrie in großem Umfang auf 90-Nanometer-Technik um, die ersten Produkte laufen schon von den Bändern. Marktführer Intel will Ende diese Jahres den Pentium 4 mit 90-nm-Strukturen herstellen. Als nächster Technology node stehen 65-nm-Strukturen auf der Roadmap, anschließend sollen 45-nm-Anlagen und später Systeme für noch feinere Linien folgen.

Momentan stellt die Branche zahlreiche Massenprodukte in 0,13-, 0,15- und 0,18-µm-Technik her. Dabei kommen Lithografiewerkzeuge (Maskenbelichter, passende Fotolacke sowie zugehörige chemische und physikalische Bearbeitungsschritte) mit Laser-Lichtquellen zum Einsatz, die Wellenlängen von 248 (Kryptonfluorid KrF) oder 193 Nanometern (Argonfluorid ArF) emittieren.

Halbleiter mit 65-nm-Strukturen stehen ab etwa 2005 -- also schon in rund 24 Monaten -- auf dem Fertigungsplan großer Firmen; Intel hat bereits einen Codenamen für kommende Prozessoren mit dieser Technik vergeben. Doch noch ist offen, mit welcher Lithografietechnik man dann arbeiten will. Eine ganze Reihe von Firmen setzt auf 157-nm-Lichtquellen, etwa Fluorlaser (F2). Doch daran und den passenden großserientauglichen Masken-, Linsen- und Projektionstechniken wird noch mit Hochdruck geforscht -- entprechende Programme laufen seit Jahren, auch von der öffentlichen Hand gefördert.

Anlässlich der vor wenigen Wochen zuende gegangenen SPIE-Tagung Microlithography 2003 veröffentlichte allerdings die japanische Canon, die auch Lithografiesysteme herstellt, dass bei ihrer 157-nm-Entwicklung alles nach Plan laufe. In derselben Pressemeldung weist das Unternehmen aber darauf hin, dass über den Einsatz der Technik ja auch der Kundenwunsch entscheide und deutet an, dass die ArF-Geräte mit 193 nm wahrscheinlich auch für 65-nm-Strukturen ausreichten.

Eine Technik, die dieses möglich machen könnte, ist die "Immersion lithography". Dabei befindet sich zwischen der Projektionslinse und dem Wafer eine Flüssigkeit (etwa deionisiertes Wasser) mit bestimmtem Brechungsindex, sodass sich Optiken mit anderer numerischer Apertur einsetzen lassen.

Doch ein solches Verfahren würde andere Investitionen erfordern als die bisher geplante 157-nm-Technik -- wenn es überhaupt großtechnisch beherrschbar ist. Viel Zeit, das herauszufinden, bleibt den Entwicklern und ihren Kunden nicht, wenn tatsächlich schon in zwei Jahren die ersten Chips durch die neuen Anlagen laufen sollen.

Gleichzeitig wirft die Unsicherheit über den nächsten Schritt der Branche ein Schlaglicht auf das hohe Entwicklungsrisiko der Verfahren wie die ab 2007 erwartete EUV, EPL oder IPL. Die Mittel der Industrie sind begrenzt, der Zeitdruck enorm -- unter diesen Vorzeichen ist das Gerangel um die Next-Generation Lithography (NGL) besonders heftig.

Nur durch kooperative Entwicklung schaffen es die sonst hart konkurrierenden Unternehmen, dass zum Zeitpunkt der geplanten Serienfertigung auch tatsächlich die passenden Maschinen bereitstehen. In immer breiteren Entwicklungsallianzen versuchen sie, auf so vielen Hochzeiten wie möglich zu tanzen. Doch besonders die Zulieferfirmen werden in Krisenzeiten stark gebeutelt, durch Konzentrationsprozesse schrumpft auch hier der Wettbewerb. Außerdem bekämpft man sich gerne mit Patentklagen. (ciw)