Hands-on: Panono Panorama-Kamera

Die Panorama-Kamera von Panono geht in die nächste Phase. Mit Crowdfunding wollen die Entwickler das Projekt nun zur Marktreife führen. Kameras können bereits vorbestellt werden. Wir haben den Prototyp ausprobiert.

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Erinnerungen konservieren. Dazu sind Fotos da. Doch meist fehlt jemand auf dem Bild – der Fotograf. Und sowieso: Eine komplette Szene fängt eine Kamera nie ein, immer nur einen Ausschnitt, der dann ausgedruckt starr vor dem Betrachter liegt. Die Panono-Entwickler um Jonas Pfeil wollen das mit ihrer Panorama-Kamera ändern. Fotografen werfen die Kugelkamera in die Luft und bekommen ein 360-Grad-Panorama fertig gestitcht, das sie sozusagen selbst begehen können und in dem sie selbst der Mittelpunkt sind.

Der Prototpy der Panono-Kamera ist etwa so groß wie ein Handball, das finale Gerät soll nur noch so groß wie eine Grapefruit sein.

Jonas Pfeil hat uns in Hannover mit einem Prototyp und einem Design-Entwurf der Kamera besucht. Der Prototyp hat die Größe eines Handballs, ist Neongrün und recht schwer. In seiner Kunststoff-Hülle sind 36 Kameramodule mit einer Auflösung von jeweils zwei Megapixeln versenkt. Diese Chips dürften viele bereits aus den Kameras von Smartphones kennen. Sie sind hier allerdings auf dem technischen Stand von vor fünf Jahren. Angaben zu den genauen Spezifikationen der Kameras wie beispielsweise ISO-Werte kann Pfeil nicht machen.

Angesteuert werden die Module zusammen. Im Prototyp belichten sie also beispielsweise nicht individuell je nach Aufnahmesituation, sondern werden vorher manuell auf eine Belichtungssituation eingestellt.

In der Panono ist außerdem ein Beschleunigungsmesser verbaut, der berechnet, wann der "Ball" seinen höchsten Punkt erreicht hat – dann löst die Kamera automatisch aus. Das quittiert sie mit einem dreifachen Piepen. Dahin zukommen ist allerdings gar nicht so leicht, wie wir während unseres Tests erfahren konnten: Die Kamera muss nicht nur hoch genug in der Luft sein, sie darf dabei auch nicht rotieren.

Aus den Frontkameras von Smartphones stammen die Chips im Panono-Prototypen.

Das fertige Panorama wird aus den 36 Einzelbildern zusammengesetzt, insgesamt entsteht so ein 72-Megapixel-Bild. Das klingt erst einmal beeindruckend, doch die Bilder erreichen noch nicht die Qualität die man von aktuellen Kompaktkameras gewöhnt ist. Zoomfahrten sind zwar möglich, allerdings lassen sie kaum Details erkennen. Mit dem Seriengerät soll sich das aber ändern, verspricht Pfeil. Er hofft, vom aktuellen Wettrennen um die besten Kameras auf dem Smartphone-Markt profitieren zu können.

In der Panono sollen später nicht nur aktuelle Chips zum Einsatz kommen, sie sollen auch individuell ansteuerbar sein. Die Kamera wird außerdem weiter schrumpfen – vom Handball zur Grapefruit. Der Design-Prototyp, den uns Pfeil präsentiert, hat ein angenehmes Gewicht und ist mit einer durchsichtigen Kunststoffhülle umgeben, die später auch die Kameramodule schützen soll. Stoßfestigkeit soll ein Gehäuse aus Polykarbonat bringen. Auf dieses Material setzen auch die Actioncams von GoPro.

Das, was der Prototyp bisher erst einmal ausspuckt, ist noch weit entfernt von perfekt. Pfeil plant, dass das Stitching später direkt in der Panono-Cloud stattfinden soll.

Während unseres Tests haben wir auch ein Panorama des Heise-Geländes angefertigt. Der Himmel war trüb und bewölkt – kein gutes Kamerawetter, schon gar nicht für Smartphone-Chips. Der Prototyp lieferte entsprechend flaue Ergebnisse. Ein witziger Effekt: Durch die Verzerrung wirken unser Gelände und unser Gebäude riesig. Wir haben es deshalb Taj Maheise getauft. Die anderen beiden Panoramen stammen von Panono, sie entstanden unter besseren Bedingungen. Das obere der beiden Bilder wurde in Berlin auf dem Gendarmenmarkt aufgenommen, das untere hat Jonas Pfeil in Hongkong fotografiert. Im Browser können die Panoramen ähnlich wie in Google-Street-View betrachtet werden. Probieren Sie es einfach aus.

Die finale Kamera soll die Fotos automatisch via WLAN und Bluetooth mit dem Smartphone teilen. Dort bekommen User zunächst nur ein Thumbnail präsentiert. Die passende App dazu gibt es jetzt schon für Android (ab 4) und iOS (ab 6). Sie sendet später das Bildmaterial automatisch an den Panono-eigenen Cloud-Dienst, wo die Fotos als Panoramen vorgehalten und betrachtet werden können. Bei mobiler Datenverbindung dürfte der Upload allerdings keine große Freude sein. Pfeil betont allerdings, dass die Bilder auch via Kabel direkt vom Ball geholt werden können. "Die Bilder gehören dem Fotografen", versichert er. Wie der Prototyp soll auch die fertige Kamera eine USB-Schnittstelle besitzen.

Jonas Pfeil (rechts) holt die einzelnen Fotos noch mit Kabel vom Prototypen. Die finale Kamera soll die Bilder automatisch via WLAN teilen.

Pfeil zeigt in der Anwendung auch bereits fertige Panoramen, die über Smartphone und Tablet angeschaut werden können. Das Besondere: Um sich die Bilder ansehen zu können, muss sich der Anwender aktiv mit dem Gerät bewegen, gerade so, als ob er selbst mitten in der Szene ist. Das funktioniert bereits jetzt ausgesprochen gut.

Trotzdem hinterlässt die Panono-Kamera bei uns die Frage nach der Zielgruppe. Bisher sind die begehbaren Panorama-Fotos eine wirklich witzige und vor allem lebendige Spielerei. Doch wer ist bereit, dafür eine eigene Kamera anzuschaffen, die nur das kann? Pfeil setzt auch auf professionelle Anwender wie Makler, Bau-Unternehmen und Hochzeitsfotografen. "Die meisten Anfragen zur Kamera kommen aber von Consumern", so der Panono-Mann.

Auf Indiegogo, einer Crowdfunding-Plattform, sammeln er und sein Team gerade Geld für die Entwicklung zur Marktreife und für die Produktion der Kamera. 900.000 Euro sollen zusammenkommen. So viel sei nötig – auch, um eine kritische Masse an Kameras produzieren zu können und den veranschlagten Marktpreis zu halten.

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Für 550 Dollar, etwa 480 Euro, kann die Panorama-Kamera derzeit auf Indiegogo vorbestellt werden. Sollte alles klappen, dann werden die Geräte im September 2014 ausgeliefert. "Sollte", denn noch steht der Produktionspartner nicht endgültig fest und auch das Geld ist längst noch nicht da. Bis Anfang Januar läuft die Indiegogo-Kampagne noch. Bisher sind gut 430.000 Euro (Stand: 04.12.2013) zusammengekommen. Es dürfte sportlich werden. Einen Plan B gibt es trotzdem nicht, sagt Pfeil: "Kommt das Geld nicht zusammen, gibt es auch keine Kameras." (ssi)