Hannover Messe: Evolution beim 3D-Druck
Mehrere Hersteller und Vertriebsfirmen bieten auf der Hannover Messe einen kompakten Einblick in den Stand der Technik beim 3D-Druck – und Probestücke zum Anfassen.
Wer heute einen 3D-Drucker für Prototypenbau oder Kleinserienfertigung kauft, muss sich entscheiden – für eines der verschiedenen Fertigungsverfahren, was sichtbare Konsequenzen für Materialeigenschaften und auch die Haltbarkeit der gedruckten Dinge hat. Auf der Hannover Messe kann man in Halle 7 auf engem Raum die Techniken vergleichen und viele Vorzeigedrucke in Augenschein und zum Teil auch in die Hand nehmen.
Etwas unübersichtlich ist die Lage durch die Firmenfusionen und Übernahmen der jüngsten Vergangenheit: Im Dezember haben sich die Firmen Objet und Stratasys zusammengeschlossen und firmieren jetzt gemeinsam unter dem Namen Stratasys, wobei der Name Objet trotzdem immer noch viel zu lesen ist – beispielsweise in der Bezeichnung einzelner Druckermodelle und Materialien. Vor allem prangt das Logo noch gut sichtbar auf allerlei Probestücken auf dem Hersteller-Stand B38 in Halle 7.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Die ursprüngliche Firma Stratasys steuert zur gemeinsamen Produktpalette Maschinen bei, die nach dem Fused-Depositing-Modeling-Verfahren (FDM) arbeiten, bei dem erhitzter Plastikdraht aus ABS oder anderen Kunststoffen durch eine Metalldüse gepresst wird, ähnlich wie bei einer Heißklebepistole. So entstehen schnell haltbare und belastbare Werkstücke. Die Maschinen von Objet hingegen sind auf das sogenannte PolyJet-Verfahren spezialisiert, bei dem Schichten aus flüssigem Kunststoff aufgetragen und anschließend unter UV-Licht gehärtet werden. Bei den Connex-Druckern kommen verschiedene Materialien parallel zum Einsatz – aus 11 Grundwerkstoffen sollen sich während des Druckvorgangs über 50 weitere Materialien mischen lassen, die undurchsichtig oder transparent sein können und beispielsweise in Hinsicht auf Elastizität andere Standardmaterialien wie Gummi oder ABS simulieren.
Ein paar Schritte weiter am Stand von Kisters und 4D Concepts (A37) laufen einerseits Maschinen von 3D Systems und andererseits Farbdrucker der Z Corporation – das ist die Folge der Übernahme der letzteren Firma durch die erstgenannte. Die Z-Corp-Maschinen verdienen die Bezeichnung 3D-Drucker im Wortsinn: In ihnen mischt ein Kopf mehrere Tinten zu Tröpfchen beliebiger Farbe, ganz wie in einem normalen Tintenstrahler, nur dass nicht auf Papier, sondern auf eine hauchdünne Schicht Gipspulver gedruckt wird. An den bedruckten Stellen nimmt es nicht nur die Farbe an, sondern verbindet sich außerdem zu einer festen Struktur. Dadurch entstehen vollfarbige Schauobjekte.
Von 3D Systems ist ein Exemplar des neuen ProJet 3510 zu sehen. Die Maschinen dieser Serie tragen zwischen 16 und 32 Mikrometer dünne horizontale Schichten aus flüssigem Material auf, das ebenfalls mit UV-Licht gehärtet wird. Der Clou: Durch ein Temperaturgefälle zwischen Druckkopf und Bauraum erstarrt das Baumaterial direkt nach dem Auftrag und zerfließt nicht, bevor das UV-Licht es erreicht. Dadurch sollen besonders feine Strukturen und präzise Kanten möglich werden.
Wer sich etwas in der 3D-Druck-Szene auskennt, dem fällt allerdings auf, was in Halle 7 fehlt: Zum einen sieht man keine Maschinen, die nach dem Verfahren des selektiven Lasersintern oder Laserschmelzen (SLS oder SLM) arbeiten und neben Kunststoffen wie Polyamid auch Metalle wie Stahl als Baumaterial verwenden können. Zum anderen entdeckten wir als einzigen Vertreter der auch für Privatanwender erschwinglichen 3D-Drucker einen einsamen MakerBot Replicator 2, der auf dem Stand von Autodesk (Halle 7, C18) als Blickfang seinen Dienst tut. Auf der CeBIT war diese Geräteklasse mit dem Ultimaker, dem Fabbster und zwei MakerBot Replicator deutlich prominenter vertreten und die Stände der Hersteller stets von Besuchern umlagert.
[Update 09.04.2013, 13:30: Es gibt noch mindestens einen weiteren FDM-Drucker der Einsteigerklasse auf der Messe zu sehen: Im "Schaufenster Bioökonomie" (Halle 6, J18) betreibt die Biopro Baden-Württemberg einen PRotos X400 der German RepRap. Die Biopro ist eine Innovationsgesellschaft des Landes Baden-Württemberg, die Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus Biotechnik und Life-Sciences unterstützen soll. Der RepRap auf dem Stand druckt konsequenterweise auch ausschließlich mit Polymilchsäure (PLA), einem Kunststoff, in dem keine Spur Erdöl steckt, sondern nur Kohlenstoff aus erneuerbaren Quellen.]
Die Rolle der 3D-Drucker für die Industrie scheint klar zu sein: 81 Prozent aller ITK-Unternehmen rechnen nach einer Bitkom-Studie inzwischen damit, dass 3D-Drucker einzelne Branchen stark verändern werden, 3 Prozent meinen sogar, die Geräte würden die Wirtschaft insgesamt revolutionieren. Fest steht, dass die Technik nicht nur der Industrie, sondern vor allem auch der Forschung neue Wege eröffnet. So zeigt die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in der Forschungshalle 2 am Stand A18, wie sich mit Hilfe von 3D-Druckern Ersatzknochen herstellen lassen.Diese bestehen aus einem speziellen Keramikpulver, das beim 3D-Druckvorgang zunächst mit einem Standardklebstoff an den richtigen Stellen zusammengefügt und anschließend bei etwa 1000 Grad gebrannt wird, wobei es gleichmäßig um etwa 20 Prozent schrumpft. Die Kunstknochen bestehen zu 60 Prozent aus Poren, in die Körperzellen hineinwachsen. Die Struktur ist dabei vom Aufbau von Geweihstangen von Hirschen und Elchen inspiriert, die hohe Festigkeit mit geringen Gewicht verbinden. Menschliche Knochen hingegen sind als Vorbild weniger geeignet: Da die verwendete Keramik andere mechanische Eigenschaften als Knochenmasse hat, wären eins zu eins nachgebildete Knochen aus dem 3D-Drucker schlicht nicht stabil genug.
Mehr Aktuelles von der Hannover Messe und zur Fabrik der Zukunft finden Sie in einem Special von Technology Review. (pek)